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Disco Boy

FR 2023, OV/fd, 91', Regie: Giacomo Abruzzese, mit Franz Rogowski, Morr Ndiaye, Laëtitia Ky

Disco Boy

Streaming - Release: 30.1.24 auf filmingo.ch

Filmkritik von Walter Gasperi

Fragmentiert und extrem verdichtet erzählt Giacomo Abbruzzese in seinem Spielfilmdebüt parallel von einem Belarussen, der in der Fremdenlegion eine neue Identität und Heimat sucht, und einem Nigerianer, der für die Freiheit seines Landes kämpft: Intensives Körperkino, das durch aufregende Bild- und Tonsprache sowie einen großartigen Franz Rogowski in der Hauptrolle suggestive Kraft entwickelt.

Langsam gleitet die Kamera zu Dschungelgeräuschen über eine Gruppe Afrikaner, die eng nebeneinander mit nacktem Oberkörper schlafend in einer offenen Hütte liegt. Großaufnahmen des Gesichts der jungen Udoka und ihres Bruders Jomo (Morr Ndiaye) folgen. Auffallend sind ihre unterschiedlichen Augen, mit denen sie direkt in die Kamera blicken. – Der Blick in die Kamera zieht sich durch den Film, wirft die Frage nach dem Blick auf die Welt und die Wahrnehmung auf.

Abrupt wechselt Giacomo Abbruzzese mit einem Schnitt zu einem Bus mit weißrussischen Fußballfans, die unterwegs zu einem Spiel nach Polen sind. Doch Aleksei (Franz Rogowski) und sein Freund Mikhail interessiert Fußball kaum. Vielmehr wollen sie nach Frankreich flüchten, wo sie ein neues Leben beginnen wollen. Doch bei einer Flussdurchquerung kommt Mikhail ums Leben und Alexej ist auf sich allein gestellt.

Wie mit den ersten Szenen der Gegensatz von Afrika und Osteuropa aufeinandertrifft, so spielt Abbruzzese auch mit dem Kontrast von Osteuropa und dem Sehnsuchtsland Frankreich. Mit dem wiederkehrenden Bild von Flüssen – der Oder in Europa, der Seine in Paris und dem Niger in Afrika – wird dabei das Thema der Grenze und der Grenzüberschreitung auf die Bildebene übertragen, bald kommt aber auch noch die Grenze zwischen Leben und Tod dazu.

Die Fremdenlegion verspricht Alexej in Frankreich eine neue Identität und ein neues Leben zu bieten. Was vorher war, zählt nicht mehr, sondern nur, was man noch vollbringt. Auf den Punkt gebracht wird das mit der Aufschrift auf einer Kasernenwand: Nicht das empfangene Blut, sondern das vergossene ist wichtig. Nach fünf Jahren kann man dafür einen französischen Pass erhalten.
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