Kneecap

Filmkritik von Walter Gasperi
Wild und energiegeladen: Rich Peppiatt erzählt die Geschichte der irischen Hip-Hop-Formation Kneecap nicht nur als atemlosen Trip in der Nachfolge von Danny Boyles Kultfilm "Trainspotting", sondern auch als leidenschaftliches Plädoyer für die Wertschätzung der irischen Sprache.
Von Anfang an gibt es hier kein Halten, sondern laut, lärmend, hektisch und wild beginnt Rich Peppiatts "Kneecap", wenn der Ich-Erzähler mit Voice-over in den Film einführt. Das Klischeebild von Belfast evoziert er mit Archivbildern von Bombenanschlägen nur, um dieses sogleich mit der Schilderung seiner Taufe im Wald zu brechen. Abrupt wurde diese Feier aber durch einen britischen Militärhubschrauber gestört.
Ständig prallen in "Kneecap" Gegensätze aufeinander. Nie kommt dieser Film zur Ruhe. Eine katholische Messe verwandelt sich so in einen Drogenrausch, weil die Ministranten, den Sack mit Marihuana, der ihnen in die Hände fiel, ins Weihrauchfass des Priesters mischten.
Unmittelbar in die Perspektive der jungen Erwachsenen Naoise (Móglaí Bap) und Liam (Mo Chara) versetzt Rich Peppiat, wenn seine Protagonisten im Drogenrausch im Bus die Fahrgäste plötzlich doppelt und in knallbunten Kleidern sehen, sodass sie es vorziehen, auszusteigen. Andererseits können sie im Drogenrausch aber auch selbst zu Knetanimationen werden.
Schon früh hat Naoises Vater Arlo (Michael Fassbender), der irischer Widerstandskämpfer war, offiziell als tot gilt, in Wahrheit aber untergetaucht ist, seinem Sohn eingebläut "Jedes gesprochene irische Wort ist eine Kugel für die irische Freiheit". Umsetzen wollen das Naoise und sein Freund Liam als Hip-Hop-Duo Kneecap. Der Name verweist dabei auf die "kneecapping" genannte Bestrafungsmethode der IRA, bei der den Opfern in eine oder beide Kniescheiben geschossen wurde.
Als dritter kommt zum Duo der Musiklehrer JJ (DJ Próvai) dazu, der als Dolmetscher geholt wird, als Liam bei einem Polizeiverhör sich weigert, Englisch zu sprechen. JJ erkennt das Potenzial der gälischen Verse, die Liam in sein Notizbuch gekritzelt hat. Aus dem Duo wird ein Trio und bald wird in JJs Garage geprobt.
Mit ihren Texten wollen diese Hip-Hopper den Briten den Kampf ansagen. "CEARTA" (Irisch für „RECHTE“) heißt so auch ihre erste Single und durch den Film zieht sich die Konfrontation mit der britischen Polizei, aber auch mit den RRAD (Radical Republicans Against Drugs) – eine ironische Verballhornung der realen IRA. Erstere bringen sie gegen sich auf, weil sie in ihren Song-Texten gegen die Engländer Stellung beziehen und entschieden die Gleichberechtigung des Gälischen neben dem Englischen fordern, letztere, weil die Musiker nicht nur selbst Drogen konsumieren, sondern in ihren Songs auch Drogenkonsum und wilden Sex verherrlichen.
Nichts mit biederem Europudding hat dieser Film zu tun, sondern spricht eine radikal eigene Sprache. Unübersehbar ist Danny Boyles in Edinburgh spielender Kultfilm "Trainspotting" (1996) das Vorbild. So dynamisch wie die Hip-Hop-Songs ist das Erzähltempo, ständig wechseln Szenen, nicht nur die gälischen Songtexte werden in handgeschriebenem Stil in englischer Übersetzung eingeblendet, sondern im Comic-Stil werden auch Geräusche visualisiert.
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