I'm Still Here

Filmkritik von Walter Gasperi
Der Brasilianer Walter Salles erinnert in seinem auf einem wahren Fall beruhenden und mit dem Oscar für den besten internationalen Film ausgezeichneten Spielfilm anhand einer Familiengeschichte an den Terror der Militärdiktatur der 1960er und 1970er Jahre: Ein sorgfältig, aber auch sehr bieder und glatt inszeniertes Drama, das auch intensiv vom langsamen Wachsen des leisen, aber entschlossenen Widerstandswillen einer zunächst unpolitischen Frau erzählt.
Mit dem Roadmovie "Central Station" (1997), das anhand der Reise einer verhärmten Lehrerin und eines verwaisten Jungen Einblick in die triste soziale Situation Brasiliens bot, wurde Walter Salles Ende der 1990er Jahre bekannt. Seine klassische Erzählweise verschaffte ihm den Sprung ins US-Kino, wo ihm mit "Motorcycle Diaries – Die Reisen des jungen Che" (2004) sein erfolgreichster Film gelang.
Weniger Glück hatte er dagegen mit der Verfilmung von Jack Kerouacs Kultbuch "On the Road" (2012), nach dem es rund 12 Jahre still um den 1956 geborenen Brasilianer wurde. Mit seiner Rückkehr in sein Heimatland gelang ihm mit "I´m Still Here" nun aber ein Film, der als erste brasilianische Produktion den Oscar für den besten Internationalen Film gewann.
Auf der Basis von Marcelo Rubens Paivas gleichnamigen Memoiren, in denen der Autor die Geschichte seiner Familie, speziell seiner Eltern, während der brasilianischen Militärdiktatur (1964 – 1985) nachzeichnet, zeigt Salles auf, wie die politische Situation unweigerlich Auswirkungen auf das Familienleben hat. Auch auf eigene Erfahrungen konnte der Regisseur dabei zurückgreifen, war er in der Jugend doch mit den Kindern der Paivas befreundet und ging in deren Haus in Rio de Janeiro ein und aus.
Nicht nur mit sorgfältiger Ausstattung und Kostümen, sondern auch mit dem Look der Bilder evozieren Salles und sein Team dicht die Atmosphäre der frühen 1970er Jahre. Seit einem Putsch im Jahr 1964 herrscht im größten Land Lateinamerikas zwar das Militär, doch das Ehepaar Eunice (Fernanda Torres) und Rubens (Selton Mello) Paiva, das zum gehobenen Bürgertum gehört, führt mit seinen fünf Kindern in Rio ein weitgehend unbeschwertes Leben.
Beängstigend donnert zwar schon in der ersten Einstellung ein Hubschrauber über das Meer, in dem Eunice schwimmt, dennoch feiern der frühere Abgeordnete der Arbeiterpartei, der sich seit der Machtübernahme des Militärs politisch zurückgezogen hat und als Ingenieur arbeitet, mit seiner Familie und Freunden Partys an der Copacabana oder in dem geräumigen Haus.
Gleichzeitig erinnern aber Nachrichten über die Entführung des Schweizer Botschafters, durch die politische Gefangene freigepresst werden sollen, ein am Strand vorbeifahrender LKW mit Soldaten oder eine beklemmende nächtliche Militärkontrolle an den Terror des Regimes. Nicht nur Freunde haben deshalb das Land schon verlassen, sondern auch die älteste Tochter Vera wird sicherheitshalber zu im Londoner Exil lebenden Bekannten geschickt.
Dennoch holt der Terror der Junta auch die Familie ein, denn eines Tages stehen plötzlich Beamten in Zivil vor der Tür und fordern den Vater auf mitzukommen. Sie versichern zwar, dass es sich nur um eine kurze Befragung handle und der Vater bald zurückkehren werde, doch Salles inszeniert den Abschied so, dass klar ist, dass es kein Wiedersehen geben wird.
Nicht genug damit quartieren sich Beamte auch im Haus ein und bald werden auch Eunice und die zweitälteste Tochter abgeführt, verschleppt und an einem geheimen Ort verhört. Geschickt steigert Salles so von – zumindest nach außen hin – heiterem Beginn den Terror, bis Eugenice und ihre Tochter wieder freigelassen werden.
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