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Schlussbericht über das 57. Filmfestival San Sebastian. Von Geri Krebs

Schlussbericht über das 57. Filmfestival San Sebastian. Von Geri Krebs

Man war gespannt, wie das Festival sich mitten in der Krise, die in Spanien sich in einer Arbeitslosenrate von fast 20 Prozent ausdrückt, präsentieren würde. Gekürzt um einen Tag in der Dauer, um 800 000 Euro im Budget und um 36 Filme gegenüber den Vorjahren, sowie ohne Abschiedsparty, musste das Festival mit gerade mal 6,8 Millionen Euro auskommen. Das Resultat war vor allem ein gedrängteres Programm. In die ersten drei Festivaltage hatte man mit Brad Pitt, Quentin Tarantino, Atom Egoyan, Francois Ozon, Fernando Trueba und Juan José Campanella gleich reihenweise die bekannten Namen hineingestopft. Am Festivalende sorgte dann noch Naomi Watts, die im Abschlusssfilm “Mother and Child” des in den USA lebenden Kolumbianers Rodrigo García die Hauptrolle spielt, für kreischende Fans. In seiner fragmentierten Erzählweise und dem Bemühen, mit dem Sich-Überkreuzen dreier Lebensläufe einem Drama um eine Tochter (Watts) auf Muttersuche noch mehr Drive zu geben, verriet der Film ein wenig die Handschrift seines Executive-Producers Alejandro González Iñárritu. In seiner Essenz war der Film aber kaum mehr als eine sentimale Hollywood-Schmonzette mit einer reaktionären Familienideologie.

Es war aber eine der wenigen Enttäuschungen in einem ansonsten qualitativ starken Programm, das in den vier Wettbewerben (Hauptwettbewerb, Nuevos Directores, Horizontes Latinos und Cine en Construcción) viel Aufregendes und Überraschendes präsentierte. Dass dabei die Jurys dann am Ende in ihren Entscheiden nicht durchwegs eine glückliche Hand bewiesen, gehört zur Natur der Sache, tut der Tatsache eines hochkarätigen Jahrgangs 2009 aber keinen Abbruch.

Da war etwa der grossartige romantische Thriller “El secreto de sus ojos” von Juan José Campanella mit einem starken Ricardo Darín in der Rolle eines frühpensionierten Untersuchungsrichters, der einen ungelösten Mordfall aus der Zeit der heraufziehenden Militärdiktatur der 1970er nach 25 Jahren neu aufrollt und dabei einen schmerzhaften Erinnerungsprozess durchläuft. Schon allein dafür hätte Darín eigentlich den Preis für die beste männliche Hauptrolle verdient, doch unverständlicherweise ging Campanellas Glanzstück bei der Preisverleihung leer aus.

Ricardo Darín spielte auch noch die Hauptrolle in dem aussserhalb des Wettbewerbs gezeigten, etwas zerfahrenen Märchen “El baile de la victoria” (Trailer) von Fernando Trueba. Die Erwartungen an den Film des spanischen Oscar-Preisträgers, der sich für acht Jahre von der Fiktion verabschiedet hatte, waren hoch, und es war der argentinische Schauspieler, der den Film mit seinem schwachen und wenig plausiblen Plot um eine durch die Schrecken der Pinochet-Diktatur traumatisierte Tänzerin doch noch irgendwie rettete. Beide Schauspielerpreise gingen indes dann an den gleichen Film, nämlich an das Protagonistenpaar des spanischen Films “Yo, tambien”, Lola Dueñas und Pablo Pineda. In dem Film des Regieduos Álvaro Pastor / Antonio Naharro spielt Dueñas eine Verwaltungsangestellte, die von einem neu eingestellten Arbeitskollegen umworben wird, einem Mann, der trotz seines Down-Syndroms über einen Universitätsabschluss verfügt. Der 34 jährige Pablo Pineda spielt in dem Film weitgehend sich selber, und die Souveränität, mit der er agiert, war in der Tat beeindruckend. Kein Wunder, dass dieses Filmpaar dann am Abschlussabend die umjubelte Attraktion war und den Gewinner der Goldenen Muschel - den stark an emotionale Grenzen gehenden chinesischen Kriegsfilm “City of Life and Death” (Trailer) von Lu Chuan, der die Geschichte von John Rabe ganz aus chinesischer Sicht erzählt - bei weitem in den Schatten stellte.
(Geri Krebs)

www.sansebastianfestival.com/in/index.php

AUSZEICHNUNGEN:

GOLDEN SHELL FOR BEST FILM
"CITY OF LIFE AND DEATH" by LU CHUAN (China)

SPECIAL JURY PRIZE
"LE REFUGE" by FRANÇOIS OZON (France)

SILVER SHELL FOR BEST DIRECTOR
JAVIER REBOLLO for "LA MUJER SIN PIANO" (Spain-France)

SILVER SHELL FOR BEST ACTRESS
LOLA DUEÑAS for "YO, TAMBIÉN" (Spain)

SILVER SHELL FOR BEST ACTOR
PABLO PINEDA for "YO, TAMBIÉN" (Spain)

JURY PRIZE FOR BEST CINEMATOGRAPHY
CAO YU for "CITY OF LIFE AND DEATH" (China)

JURY PRIZE FOR BEST SCREENPLAY
ANDREW BOVELL, MELISSA REEVES, PATRICIA CORNELIUS Y CHRISTOS TSIOLKAS for "BLESSED" (Australia)

KUTXA-NEW DIRECTORS AWARD
"LE JOUR OÙ DIEU EST PARTI EN VOYAGE" by Philippe Van Leeuw (Belgium)
special mention
"SAMMEN / TOGETHER" by Matias Armand Jordal (Norway)

PREMIO HORIZONTES
"GIGANTE" by Adrián Biniez (Uruguay)
special mention
"FRANCIA" by Israel Adrián Caetano (Argentina)