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Österreichs dunkle Seite im Zürcher Kino Xenix. Von Walter Gasperi

Der österreichische Film hat im letzten Jahrzehnt international für Aufsehen gesorgt. Neben Regisseuren wie Michael Haneke, Ulrich Seidl, Barbara Albert oder Jessica Hausner ist das auch mehreren Schauspielern zu verdanken. Vor allem der Kabarettist Josef Hader, Birgit Minichmayr und Georg Friedrich haben sich nachdrücklich ins Gedächtnis gespielt. Das Zürcher Kino Xenix zeigt im März knapp 20 Filme mit diesen Stars der Alpenrepublik.

Eine harmlos-heile Welt präsentierte der österreichische Film nach dem Zweiten Weltkrieg. In Heimatfilmen, zuckersüssen Kostümfilmen wie der „Sissi“-Trilogie, Operettenverfilmungen und Komödien mit Hans Moser, Peter Alexander und Co. wurde die Gegenwart und die unmittelbare Vergangenheit verdrängt anstatt sie aufzuarbeiten. Ab etwa 1960 wurde es dann, vom Experimentalfilm abgesehen, für rund 20 Jahre still um den österreichischen Film.

Lichtblicke zeigten sich ab Anfang der 1980er Jahre mit den Filmen von Niki List („Malaria“, 1983; „Müllers Büro“, 1986), Franz Antels „Der Bockerer“ (1981) oder Istvan Szabos Koproduktion „Mephisto“ (1981), ehe sich ab 1990 mit Haneke, Murnberger, Seidl und Glawogger wiederum eine neue Generation von Regisseuren zu Wort meldete.

Vom Kabarettfilm zu den Wolf-Haas-Verfilmungen
Der Kabarettfilm bescherte dem österreichischen Kino in dieser Zeit die größten Publikumserfolge – und sein Star war Josef Hader. Zusammen mit seinem Kollegen Alfred Dorfer schrieb Hader 1991 das tragikomische Stück „Indien“, das zwei Jahre später von Paul Harather verfilmt wurde. Schon hier spielt Hader mit dem kleinbürgerlichen Heinz Bösel, der in einer tristen Welt sein Glück nicht finden kann, einen Typen, den er in späteren Rollen weiter entwickelte und perfektionierte. So schickt Andrea Maria Dusl in ihrem lakonischen Road Movie „Blue Moon“ (2002) Hader auf eine Odyssee quer durch Osteuropa und Wolfgang Murnberger fand in ihm die Idealbesetzung für den Detektiv Brenner in den Verfilmungen der Wolf-Haas-Romane. Wie bei den amerikanischen Pendants Philip Marlowe und Sam Spade geht es am Ende von „Komm, süßer Tod“ (2000), „Silentium“ (2004) und „Der Knochenmann“ (2009) gar nicht mehr so sehr um die Aufklärung eines Verbrechens, sondern muss Brenner letztlich froh sein, wenn er halbwegs heil aus dem Schlamassel raus kommt und nicht mehr als einen Finger verliert.

Wie pessimistisch die Weltsicht dieser grotesken, mit schwarzem Humor gespickten Krimis ist, zeigt sich am prägnantesten in „Silentium“, wenn Brenner unter einem überdimensionalen Kreuz zusammen zu brechen droht - und natürlich im Satz: „Mit dem Leben geht’s gleich wie mit dem Leberkäs: Gemacht ist er aus Knackwürsten und Knackwürste werden aus Leberkäs gemacht und alles dreht sich im Kreis.“

Wiener G´schichten
Spielt Hader den im Grunde sympathischen, aber von den Verhältnissen immer wieder niedergedrückten kleinen Mann, so ist Georg Friedrich weitgehend auf die Rolle des derben Proleten festgelegt. Und während bei Hader vor allem sein treuherzig-trauriger Dackelblick in Erinnerung bleibt, ist es bei Friedrich die hohe Fistelstimme. Lustvoll spielt er in Ulrich Seidls „Hundstage“ (2001) einen sadistischen Zuhälter oder in Michael Glawoggers durchgeknallten Drogenkomödien „Nacktschnecken“ (2003) und „Contact High“ (2009) den Kleinkriminellen Schorsch.

Gemeinsam ist den Figuren von Hader und Friedrich, dass sie immer der Hauptstadt Wien zuzuordnen sind. – Darin unterscheidet sich denn auch der österreichische stark vom Schweizer Film: Die Bundesländer spielen als Schauplätze kaum eine Rolle, im Zentrum steht fast immer Wien, wobei dort wieder der Blick vorzugsweise auf die Unterschicht oder das Halbwelt-Milieu gelegt wird.

Zwischen Wien und Berlin
Während Hader und Friedrich kaum aus diesen „Wiener Rollen“ ausbrechen, lässt sich Birgit Minichmayr nicht darauf festlegen. Deutsche und internationale Filme stehen mit Jan Schüttes „Abschied. Brechts letzter Sommer“ (2000) und István Szabos „Taking Sides – Der Fall Furtwängler“ (2001) schon am Beginn der Karriere der 1977 in Oberösterreich geborenen Schauspielerin. Ein typisch österreichischer Film ist dagegen „Spiele Leben“ (2005), in dem Antonin Svoboda frei nach Dostojewskis „Der Spieler“ von einer amour fou zwischen einem Spielsüchtigen (Georg Friedrich) und einer von Minichmayr gespielten pillensüchtigen Borderlinerin erzählt.

Nach einer der fünf Hauptrollen in Barbara Alberts Porträt der Generation der heute 30-Jährigen in „Fallen“ (2006) und Nebenrollen unter anderem als Hitlers Sekretärin in Oliver Hirschbiegels „Der Untergang“ (2004), als die Mutter des Mörders in Tom Tykwers Süskind-Verfilmung „Das Parfüm“ (2006) und als Tochter des Pensionisten-Ehepaares in Doris Dörries „Kirschblüten – Hanami (2008) brillierte sie in Maren Ades Beziehungsdrama „Alle Anderen“ (2009). Dafür, wie sie ihre Gitti mit Energie, mal kämpferisch und mal verletzlich spielt, zeichnete die Berlinale-Jury 2009 Minichmayr, die auch am Wiener Burgtheater sowie am Deutschen Theater und der Volksbühne Berlin spielt, mit dem Preis für die beste Schauspielerin aus.
(Walter Gasperi)