Mit Bond und Riesenleinwand ins 17. Jahr. Von Irene Genhart
Das 17. Zurich Film Festival (23.9.-3.10.21) trumpft mit zwei wichtigen Neuerungen und einem riesigen Highlight auf: Es darf den neusten James Bond-Film in Vorpremiere zeigen, verfügt mit dem grossen Saal des renovierten Kongresshauses über eine schicke neue Spielstätte und es verlegt seine Retrospektive in den Winter.
Christian Jungen, seit 2020 künstlerischer Leiter des Zurich Film Festival, ist ein eingefleischter Cinephiler. Das im doppelten Sinn des Wortes: Er liebt nicht nur Filme, sondern auch das Kino. Und er scheint unter einem glücklichen Stern geboren zu sein. So schaffte er es in seinem ersten Jahr als Artistic Director mit Glück, Courage und Chuzpe doch tatsächlich, das ZFF zwischen den zwei Lockdowns, wenn auch nur in reduzierter Form, so doch physisch stattfinden zu lassen. Schon damals hat Jungen betont, dass Filmfestivals unbedingt im Kino stattfinden sollten. Sichtbar eine Freude war es ihm an der diesjährigen Pressekonferenz denn nun, zusammen mit der Geschäftsführerin Elke Mayer verkünden zu können, dass das ZFF künftig noch grösseres Kino sein wird. Man hat den grossen Saal des renovierten Kongresshauses als zusätzliche Abspielstätte fürs ZFF dazugewonnen. Er wird fürs Festival mit einer 16 Meter breiten Leinwand ausgestattet, bietet fast 1‘300 Zuschauern Platz und soll in Zukunft jeweils während dem ganzen Festival bespielt werden. Damit verfügt das Zurich Film Festival über das, was ihm bisher fehlte: einen Festivalpalast, wie ihn grosse Festivals wie Cannes und die Berlinale schon länger kennen. Abgesehen davon verortet sich das ZFF mit dieser in Gehdistanz zum Festivalzentrum auf dem Sechseläutenplatz liegenden neuen Spielstätte noch stärker als bisher am Zürichs Seebecken. Was fürs Publikum nicht nur bequem, sondern auch attraktiv ist, eröffnet sich beim Gang entlang dem Ufer beim Blick über den See doch ein einmalig schönes Panorama der Schweizer Alpen.
In eben diesem grossen Kongresshaus-Saal wird am 17. Zurich Film Festival am 28.9.21, zur fast gleichen Zeit, wie in London die Welturaufführung stattfindet, „No Time To Die“ gezeigt, der neue James Bond-Film, dessen Start wegen der Pandemie mehrmals verschoben nun definitiv auf den 30.9.21 festgelegt ist. Es ist der 25. Film der Bond-Reihe, der fünfte und letzte mit Daniel Craig. Craig zu Ehren zeigt das ZFF eine kleine Bond-Retrospektive; weitere Aufführungen von „No Time To Die“ finden im Rahmen des ZFF am 30.9. und 3.10. statt.
Der neue James Bond ist nicht das einzige Highlight des 17. Zurich Film Festivals. In den Sektionen „Gala Premieren“ und „Special Screenings“ werden Filme gezeigt, welche in den nächsten Monaten ins Kino kommen. Es finden sich darunter etliche, deren Start bedingt durch die Pandemie aufgeschoben wurden: „The French Dispatch“ etwa, in dem Wes Anderson dem Magazinjournalismus und seiner Wahlheimat Frankreich die Hommage erweist. Ridley Scotts „The Last Duel“ mit Matt Damon und Adam Driver, die im mittelalterlichen Frankreich als beste Freunde zum Duell antreten. Pablo Larraíns „Spencer“ mit Kristen Stewart in der Rolle von Lady Di und Paul Schraders Thriller „The Cart Counter“, dessen Protagonist auf den Namen William Tell hört, mit dem Schweizer Helden gleichen Namens aber nichts am Hut hat.
Ebenfalls als „Gala Premiere“ angekündigt ist Michael Steiners Eröffnungsfilm „Und morgen seid ihr tot“. Er greift den Fall einer Schweizerin und eines Schweizers auf, die vor einigen Jahren in Pakistan von den Taliban entführt wurden, nach einigen Monaten aus eigener Kraft fliehen konnten, zuhause aber nicht als Helden gefeiert wurden. „Und morgen seid ihr tot“ ist einer von 22 am ZFF gezeigten Schweizer Filmen. Insgesamt laufen am Festival 164 Filme, 18 davon in Weltpremiere. Zu den Schweizer Produktionen, die am ZFF zur Uraufführung kommen, gehören nebst Michael Steiners Film u.a. „Prinzessin“ von Peter Luisi, „Paracelsus – Ein Landschaftsessay“ von Erich Langjahr, Philippe Weibels „The Art of Love“, und Erich Schmids „Adolf Muschg – Der Andere“. Ebenfalls zur Uraufführung kommen, im Deutschland, Österreich und der Schweiz vorbehaltenen Fokus-Wettbewerb, die Schweizer Filme „Love Will Come Later“ von Julia Furer, „Momentum“ von Edwin Charmillot und Dennis Stormers „Youth Topia“.
Der ZFF-Fokus-Wettbewerb ist, so wie der Spiel- und Dokumentarfilmwettbewerb, ersten, zweiten und dritten Regiearbeiten vorbehalten. In jeder Wettbewerbssektion wird als Hauptpreis ein Goldenes Auge dotiert mit 25‘000 CHF vergeben. Gezeigt werden in allen Wettbewerben erlesene Filme, die oft an anderen Festivals bereits von sich reden machten oder Preise holten. Besonders gespannt sein darf man auf „Grosse Freiheit“ von Sebastian Heise, der in Cannes und Sarajevo Preise abholte, „Fred Baillifs „La Mif“, der an der Berlinale in der Kategorie Generation 14+ obenauf schwang und Clint Bentleys „Jockey“, den die Jury des Sundance Festival mit einem Spezialpreis bedachte.
Ergänzt wird das ZFF-Film-Programm mit diversen Nebensektionen. Besonders erwähnenswert sind „Neue Welt Sicht: Tunesien“, in dem das ZFF sein Augenmerk zum ersten Mal auf ein afrikanisches Land lenkt, und „Hashtag #letSEXplore“ unter dem sich „das ZFF der vielseitigen, reflektierten und aufgeregten Begegnung mit dem Thema Sex“ widmet. Nicht zu vergessen „ZFF für Kinder“, das mit „Peterchens Mondfahrt“ und „The Ape Star“ schon jüngste Kinogänger lockt und mit Filmen wie „Lamya’s Poem“, der aus Kinderaugen vom Krieg erzählt, und „Moon Rock for Monday“, in dem ein krankes Mädchen vom Verreisen träumt, anspruchsvolle Filme für Jugendliche vorstellt. Vergeblich allerdings sucht man im diesjähigen Programm eine umfassende Retrospektive. Mit der Begründung, man fände dafür an einem Festival erfahrungsgemäss kaum Zeit, hat Jungen diese – sie ist Paul Schrader gewidmet – auf Januar/Februar 2022 verlegt.
Bleiben zu erwähnen die „ZFF Talks“ und „ZFF Masters“, die das Zürich Film Festival auch in seinem 17. Jahr zur Begegnungsstätte von und mit Filmschaffenden werden lassen, sowie die Stars, für die man in Zürich den grünen Teppich ausrollt. Nicht nur, um diese bei einer Vorstellung im Kinosaal begrüssen zu dürfen, sondern auch um dem einen oder der anderen unter ihnen einen ehrenden Preis zu verleihen. So wird Sharon Stone am 25. 9. In Zürich den „Golden Icon Award“ in Empfang nehmen, Paolo Sorrentino am 29.9. den „A Tribute to… Award“. Der Filmkomponist Michael Danna wird am 30.9. mit dem „Career Achievement Award“ geehrt, Paul Schrader am 1.10. mit dem „Lifetime Achievement Award“. Die Preisverleihung des 17. Zurich Film Festivals findet am Samstag, 2.10.21 im Opernhaus statt. Dabei gelten, wie am ganzen ZFF, die vom Bund verordneten Covid-Schutzmassnahmen: in Innenräumen herrscht Zertifikatpflicht, an den Teppichen sind Masken obligatorisch.
Irene Genhart
Programm & Infos: zff.com
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