Reinas

Streaming - Release: 3.4.25 auf filmingo.ch
Filmkritik von Walter Gasperi
Die schweizerisch-peruanische Regisseurin Klaudia Reynicke erzählt vor dem Hintergrund der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage im Peru der frühen 1990er Jahre feinfühlig und differenziert eine autobiographisch inspirierte Coming-of-Age- und Familiengeschichte.
Die 15-jährige Aurora ist unübersehbar das Alter Ego der 1976 in Lima geborenen Regisseurin. Ihre Mutter Elena möchte mit Aurora und ihrer achtjährigen Schwester Luzia in die USA emigrieren, doch dazu muss der getrennt lebende Vater eine Ausreisegenehmigung für seine Töchter unterschreiben.
Dieser Carlos ist aber ein spezieller Fall, ein Geschichtenerzähler oder auch notorischer Lügner und alles andere als zuverlässig. Da erzählt er zunächst als Taxifahrer eines klapprigen roten Ladas einem Fahrgast, dass er eigentlich Schauspieler sei und in drei Filmen von Roger Corman mitgespielt habe, seinen Töchtern will er eine Verletzung am Ellenbogen als Biss eines Krokodils verkaufen oder gibt vor als Mitarbeiter des Geheimdiensts sich nicht an die nächtliche Ausgangssperre halten zu müssen.
Man kann verstehen, dass das Zusammenleben mit diesem Mann schwierig war und warum die Ehe zerbrach. Wie die ihm entfremdeten Töchter Aurora und Luzia bleibt man auch als Zuschauer:in zunächst auf Distanz zu ihm, doch wie die beiden Mädchen entwickelt man trotz all seiner Fehler dennoch langsam Sympathie für dieses Schlitzohr.
Man spürt nämlich, wie Carlos seine beiden "reinas" – seine Königinnen – liebt, und warmherzig ist Klaudia Reynickes Blick nicht nur auf ihn, sondern auch auf die Mutter und vor allem auf die Töchter, aus deren Perspektive sie erzählt. Diese Wärme strahlt "Reinas" aber auch durch die in warme Farben getauchten Bilder und das flotte Erzähltempo aus.
Von Anfang an macht der Film mit Nachrichten von der Hyperinflation ebenso wie später von Anschlägen mit Autobomben der Terrororganisation "Leuchtender Pfad", mit wiederholten Stromausfällen, Militärkontrollen und nächtlichen Ausgangssperre spürbar, wie beunruhigend, wirtschaftlich und politisch schwierig die Situation im Peru der frühen 1990er Jahre ist. Ganz offen spricht die Mutter darüber, ist sich aber auch bewusst, dass ihre Familie in einer privilegierten Lage ist.
Aufgrund der geplanten Abreise in die USA zieht sie mit ihren Töchtern so nach der Geburtstagsfeier für Aurora aus dem eigenen Haus, das verkauft wurde, ins geräumige Haus der Großmutter, in dem eine Haushaltshilfe sich um die alltäglichen Aufgaben kümmert. Nah dran ist die Kamera von Diego Romero Suarez Llanos an den Figuren, versetzt beispielsweise bei der Geburtstagsfeier mitten ins Geschehen. Beiläufig fließen die schwierigen Verhältnisse nur ein – und sind doch immer präsent.
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