Zwerge sprengen
Rezension von Irene Genhart
Christof Schertenleibs „Zwerge sprengen“ ist eine hübsch zeitgeistige Schweizer Dorf- und Familienkomödie.
Es ist der Familie Schöni ein lieber Brauch: Am letzten Septembersonntag trifft man sich hinterm Haus, sprengt Zwerge und fasst gute Vorsätze für die nächsten zwölf Monate. Man tat es früher, als die Kinder klein waren. Man tut es heute, wo sie längst erwachsen und ausgeflogen sind. Bis auf Thomas, der einen Steinwurf vom Elternhaus eine Arztpraxis betreibt, haben die Schöni-Sprösslinge dem Emmentalerischen Rüegsau den Rücken gekehrt. Doch nun ist wieder Zwergsprengtag.
Abgesehen davon, dass Hannes anstelle seiner Lebenspartnerin die unbekannte Agat mitbringt und Tina noch immer in Indien weilt, ist alles wie gehabt. Oder eben doch nicht. Denn Agat stellt unangenehme Fragen. Und spätestens nachdem sie das Fest erzürnt verlassen hat, fordern schwelende Spannungen, unüberwundene Süchte und unterdrückte Gefühle ihren Tribut. Zudem stellt sich heraus dass Hannes, der sich bisher als Investor für dies und jenes locker durchs Leben schmuggelte, so in der Klemme sitzt, dass er Thomas erst um Asyl, dann um Geld angeht.
Eine beschwingte Schweizer Zeitgeist-Komödie ist Christof Schertenleibs „Zwerge sprengen“. Sie lässt sich deuten als Parabel auf den Zustand einer in herkömmlichen Verhaltensweisen verharrenden, von jüngsten Weltereignissen aber überrollten Gesellschaft, verweist im grün-idyllischen Emmental spielend aber auch auf den alten Schweizer Film. Glänzend kommt Michael Neuenschwander in der Rolle des von der Krise erwischten Lebemannes, locker bietet ihm Max Gertsch als charmanter Hinterwäldler Paroli. Am überzeugendsten ist aber Urs Bihler, der als ein selber nicht von Sünden gefeiter Pfarrer seinen Schäfchen von der Kanzel herab auch mal locker die Kappe wäscht.
(Irene Genhart)
Kritiken
National |
- Matthias Lerf in sonntagszeitung.ch |
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