Réveil Sur Mars
Filmkritik von Doris Senn
In Schweden werden seit rund zwei Jahrzehnten Kinder und Jugendliche von Flüchtlingsfamilien Opfer eines seltsamen Phänomens: Zunehmend apathisch, fallen sie schliesslich in einen komaähnlichen Zustand, aus dem sie teils erst nach Jahren wieder aufwachen.
Zu Beginn mit «Dornröschenschlaf» betitelt, nennt es die Forschung heute «Resignationssyndrom». Dies, weil das Phänomen in der Regel nach einem ablehnenden Bescheid der Behörden auf das Bleibegesuch eintritt – und die Minderjährigen so ein «Ventil» für ihre traumatischen Erlebnisse und ihre aussichtslose Situation zu finden scheinen
Die schweizerisch-albanische Regisseurin Dea Gjinovci stiess 2017 dank eines Artikels im «New Yorker» auf das Thema, das nun im Zentrum ihres dokumentarischen Langfilmdebüts, Réveil sur Mars, steht. Darin porträtiert sie die kosovo-albanische Familie Demiri, die bereits zum zweiten Mal in Schweden um Aufnahme ersucht – und von deren vier Kindern die beiden Teenager-Mädchen vor Jahren in Schlaf versanken. Zwölf Wochen lang, verteilt über eineinhalb Jahre, begleitete Dea Gjinovci die Familie in ihrem Alltag – in der liebevollen Fürsorge für ihre Töchter und im Papierkrieg mit den Behörden.
Furkan, der jüngste Sohn, fand dank seinem Interesse für die Astronomie seinerseits einen Weg aus der bedrückenden Realität: Er träumt davon, auf den Mars zu gehen und so die problembeladene Welt zurücklassen zu können. Während die Regisseurin den Alltag der Familie mit ihren beiden schlafenden Töchtern einfühlsam festhält, entwickelte sie mit Furkan zusammen einen Erzählstrang, in dem sein Traum Wirklichkeit wird: Aus gesammelten Schrottteilen entsteht im winterlichen Wald eine Bricolage-Rakete, deren Konstruktion im stillen Drama der Familie für magische Glücksmomente sorgt. Und dem Film trotz seinem schmerzlich-bizarren Inhalt viel Zauber verleiht.
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