La petite chambre
Rezension von Irene Genhart
In „La petite chambre“ erzählen Véronique Reymond und Stéphanie Chuat wie zwei am Herzen versehrte Menschen einander weiterhelfen im Leben. Das ist berührend, aber nicht sentimental, und deswegen ist die Auszeichnung als bester Schweizer Spielfilm 2011 denn auch durchaus verdient.
Kinder sind da, wenn sie geboren sind, hat meine Grossmutter selig jeweils gesagt. Sie hat dabei eine Weisheit an den Tag gelegt, die uns inzwischen abhanden gekommen zu sein scheint: Nur zu gerne betrachten wir heute unser Leben als von Anfang bis Ende organisierbar. Planen unsere Karrieren und Lebensläufe und zeugen selbst den Nachwuchs mit einer Wunschliste und der Agenda in der Hand. Doch ganz so planbar ist das Leben nicht. Und kommt es arg so sitzen wir, wie Rose in „La petite chambre“, eines Tages in einer Wohnung, in der ein bereits fertig eingerichtetes Zimmerchen vergeblich auf einen neuen Bewohner wartet.
Zwei am Herzen versehrte Menschen
Schmerzhaft ist das. Lähmend. Zwingt zum Umdenken: Möglichst schnell das Zimmer umgestalten und zurück zur früheren Normalität finden, möchte Roses Mann. Doch Rose braucht Zeit. Muss sich neu zurechtfinden in ihren geplatzten Träumen. Und da ist es dann gar nicht so schlecht, dass ihr als Spitex-Pflegerin Edmond unterkommt. Nicht nur stur, sondern gar störrisch soll der Senior – grossartig in seiner kauzigen Wortkargheit: der französische Altstar Michel Bouquet – sein. Haust seit dem Tod seiner Frau allein in einer prächtigen Wohnung voller Bücher und Pflanzen. Doch Edmonds Herz ist das jüngste nicht mehr und Edmond selber auch nicht mehr der Kräftigste. Und weil dem so ist, möchte Edmonds Sohn bevor er heiratet und in die USA auswandert seinen Vater gut untergebracht wissen in einem Altenheim. Das nun aber passt Edmond ganz und gar nicht. Er will seine Unabhängigkeit, seine Freiheit bewahren. Verweigert zornig jede Koordination, jedes Gespräch. Auch Rose kriegt eine zünftige Ladung seiner ungebremsten Wut ab. Doch sie bietet Edmond unerschrocken die Stirn. Redet mit ihm, auch wenn sie keine Antwort bekommt. Nimmt ihn ernst, bleibt am Ball und ist als Einzige auch dann noch da, als Edmond wirklich Hilfe braucht. Und so schildern Chuat und Reymond in der Folge denn so pragmatisch wie zugleich einfühlsam, wie die zwei am Herzen Versehrten nach und nach zueinander finden, aneinander wachsen und sich so gut und soweit es überhaupt noch geht zurück in ihre Leben tasten...
Herz erwärmende Mitmenschlichkeit
Ein wohltuend schnörkelloser und unaufgeregter Film ist „La petite chambre“. Greift beherzt heikle, aber gesellschaftlich wichtige und aktuelle Themen auf wie das Verhältnis der jüngeren Generation zu der älteren oder unseren Umgang mit Trauer und Tod, und findet bei aller an den Tag gelegten Ernsthaftigkeit und Tristesse doch immer wieder zu einer Herz erwärmenden Mitmenschlichkeit und einem leisem Humor. Bis ins Detail sorgfältig und stimmig inszeniert, an der Seite des, wie angedeutet glänzend spielenden Michel Bouquet die durch ihre fragile Bodenständigkeit überzeugende Florence Loiret Caille, ist „La petite chambre“ zwar nicht gerade ein Meisterwerk, so doch ein durch und durch gelungenes Filmdrama, das die Auszeichnung als bester Schweizer Film 2011 durchaus verdient hat.
Kritiken
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