Baghdad In My Shadow
Filmkritik von Till Brockmann
Gibt es eigentlich Christbaumspitzen, die nicht mit Sternen oder Engelchen, sondern mit Hammer und Sichel dekoriert sind? Vielleicht, zumindest kommt eine solche in Baghdad in my Shadow des im Irak geborenen Schweizer Regisseurs Samir vor.
Das ist spannend: Da wird also ein kommunistisches und damit gottloses Symbol mit einer christlichen Tradition vermählt. Doch es ist komplizierter: Denn der Brauch, zu besonderen Anlässen einen immergrünen – und somit Lebenskraft symbolisierende Baum – aufzustellen, ist eigentlich heidnischen Ursprungs, soll in Nordeuropa, aber auch in Vorderasien verankert sein, ist wohl – wie auch der Weihnachtsmann – mit schamanistischen Vorstellungen verquickt und wurde erst im 18. Jahrhundert bei den Christen so richtig populär. Und es ist noch komplizierter: Im Film steht der besagte Baum nicht etwa in einer christlichen Stube, sondern in einem arabischen Café in London, wo sich neben kommunistischen Exil-Irakern durchaus aus solche mit festem muslimischen Glauben treffen – er steht da, weil man offensichtlich ein paar Brauchtümer des Gastlandes übernommen hat, und wahrscheinlich, weil man ihn schön findet. Das Café ist mit «Abu Nawas» nach einem im 8. Jahrhundert geborenen bedeutenden arabischen Dichter benannt, der unter anderem auch guten Wein und homoerotische Liebe besungen hat. Christbaum und Gäste werden ausserdem von populären arabischen Liedern aus dem Fernseher beschallt; es sind Schwarzweissaufnahmen aus der Nachkriegszeit, als man in Ländern wie dem Irak, Ägypten, Syrien oder Libanon äusseren, sprich westlichen Einflüssen zigmal liberaler und toleranter gegenüberstand als heute.
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