Anatomie D'Une Chute
Filmkritik von Walter Gasperi
Ein Mann wird tot vor seinem Haus aufgefunden: War es ein Sturz? War es Selbstmord oder doch eine Tat der Gattin? – Justine Triets beim Filmfestival von Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneter vierter Spielfilm ist nicht nur ein hochspannender Gerichtskrimi, sondern auch ein Ehedrama und eine Reflexion über die Schwierigkeit, wenn nicht Unmöglichkeit in einem Gerichtsfall zur Wahrheit vorzudringen.
Schon mit der ersten Szene entfesselt Justine Triet eine perfekt geschmierte Kinomaschine: Während eine Studentin die Schriftstellerin Sandra im Erdgeschoss des großzügigen Holzhauses interviewen will, wäscht in einem anderen Raum der elfjährige Sohn Daniel seinen Hund Snoop und bald stört vom Obergeschoss Musik, die Sandras Mann Samuel laut aufdreht, das Interview.
Genervt bricht die Autorin so das Interview ab, verschiebt es auf später, während Daniel mit seinem Hund spazieren geht. Als der Junge zurückkehrt, findet er den Vater mit schwerer Kopfwunde vor dem Haus im Schnee liegen. Die gerichtsmedizinische Untersuchung legt nahe, dass der Mann einen Schlag auf den Kopf bekam, also getötet wurde. Der Tat dringend verdächtig ist seine Frau Sandra.
Erst jetzt setzt der Vorspann mit Kindheits- und Jugendbildern der realen Sandra Hüller ein. Sie nimmt sich einen Freund als Anwalt, legt ihm den Sachverhalt dar, betont ihre Unschuld und fordert auch Daniel auf die Wahrheit zu sagen. Der Todesfall wird nachgestellt – freilich mit unterschiedlichen Varianten -, aber auch die Wahrnehmung des nahezu blinden Daniels, der ein Gespräch der Eltern gehört haben will, dann aber seine Aussage korrigiert, da ihn seine Erinnerung getäuscht habe, erscheint als trügerisch.
Mit einem Schnitt wird ein Jahr übersprungen und der Film konzentriert sich nun ganz auf den Prozess und den Gerichtssaal. Auf der Anklagebank sitzt Sandra, einziger Zeuge ist Daniel, der im Grunde aber nichts gehört hat, aber auch der Mordermittler und der Psychotherapeut Samuels wird befragt. Rasch wird sichtbar, dass hier nicht nur von Staatsanwalt und Verteidiger, sondern auch von den Befragten stets mit Hypothesen und Vermutungen gearbeitet wird, dass ihre Aussagen über das Verhalten des Verstorbenen aber immer subjektiv sind.
Auch das mediale Interesse am Fall wird aufgezeigt, denn der Mord einer Autorin an ihrem Ehemann ist nun mal spannender als der Selbstmord eines Lehrers. Ausführlich wird aber beim Prozess auch die schwierige Beziehung von Samuel und Sandra behandelt.
Geschmeidig geht dabei ein Tondokument von einem heftigen Streit in eine Rückblende über, ehe diese wieder ins Tondokument mündet, dessen Ende mit einer auch physischen Auseinandersetzung wieder viel Raum für Interpretationen lässt. Offen bleibt so, ob Sandras Darstellung der Ereignisse auch tatsächlich der Realität entspricht.
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