Stiller
Filmkritik von Walter Gasperi
Stefan Haupts Verfilmung von Max Frischs 1954 erschienenem Roman überzeugt mit starker Besetzung und sorgfältiger Ausstattung, lässt aber abgesehen von einer Straffung des Romans einen eigenen Ansatz vermissen.
In den 1950er Jahren wird der Amerikaner James Larkin White bei einer Zugfahrt durch die Schweiz verhaftet. Ein Mitreisender habe in ihm den vor sieben Jahren verschwundenen Bildhauer Anatol Stiller erkannt, der damals an der Ermordung eines sowjetischen Dissidenten beteiligt gewesen sein soll.
White beharrt aber darauf, dass dies eine Verwechslung sei und er weder jemals zuvor in der Schweiz gewesen sei noch Stiller kenne. Während der Staatsanwalt White der Täuschung überführen will, indem er ihn mit einstigen Bekannten Stillers von dessen Frau über dessen Freund Sturzenegger bis zu seiner eigenen Frau, die damals eine Affäre mit dem Verschwundenen hatte, konfrontiert, bieten Rückblenden Einblick in die Geschichte Stillers und seine unglückliche Ehe mit Julika. Gleichzeitig kommen sich aber auch in der Gegenwart White und Julika langsam näher.
Im Kern ist das ein Krimiplot, der an Hitchcocks ebenfalls um Identitätsfragen kreisenden "The Wrong Man" (1956) erinnert, doch wichtiger als die Krimiebene ist hier die Frage nach Identität, Männerbildern und der Möglichkeit nach einem völligen Bruch mit seinem früheren Leben und der Veränderung seines Charakters: Ist White wirklich ein anderer oder will er nur der Identität Stillers entkommen? Hat dieser damals zutiefst unsichere und verängstigte Mann, der es nicht verkraftete, dass seine Frau als Balletttänzerin erfolgreicher war als er als Bildhauer, sein Leben hinter sich gelassen, um in den USA als Abenteurer neu zu beginnen?
Bald fragt man sich so, ob Whites Geschichten vom Leben auf einer Ranch in New Mexico und von einer gefährlichen Höhlentour real oder freie Erfindung eines eloquenten Erzählers sind? Offen bleibt auch, ob sich Julika nun nochmals in ihren einstigen Mann verliebt oder White doch ein ganz anderer ist?
Zeitlose menschliche Fragen wirft Max Frisch in seinem ersten Welterfolg auf und geschickt haben Stefan Haupt ("Zwingli - Der Reformator") und Alexander Buresch mit ihrem Drehbuch die Vorlage für einen leicht konsumierbaren knapp 100-minütigen Film aufs Wesentliche verkürzt. Die sorgfältige Ausstattung lässt ins Zürich der 1950er Jahre eintauchen, allerdings wirken die Bilder von Michael Hammon vielfach auch etwas zu aufgeräumt und zu sauber, um wirklich Atmosphäre aufkommen zu lassen.
Sicher baut der 64-jährige Regisseur auch die Rückblenden ein, die sich sukzessive zu einem komplexen Bild von Stiller fügen. Unklar bleibt freilich, wieso manche davon in Schwarzweiß, andere in Farbe gehalten sind. Gekonnt wird dabei auch die Identitätsfrage offengelassen und Spannung aufgebaut, indem zwar einige Rückblenden als Erinnerung Julikas, aber keine als solche von White inszeniert sind
Weiter zur ganzen Filmkritik auf film-netz.com
Kinos
| Zürich | Bern | Basel | Luzern | St. Gallen | |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
||
|
|
|||||
|
|
|||||
|
|
Kritiken
| Verleiher |
| Ascot Elite |