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Vorschau auf das 64. Intl. Filmfestival San Sebastián. Von Geri Krebs

Vorschau auf das 64. Intl. Filmfestival San Sebastián. Von Geri Krebs

Wenn am nächsten Freitag, 16. September, das Filmfestival San Sebastián seine Tore zur 64.Ausgabe öffnet, wird der Anlass noch etwas festlicher sein als in anderen Jahren. Donostia, wie die Touristenmetropole am Golf von Biskaya auf baskisch heisst, ist nämlich europäische Kulturhauptstadt 2016.


Eröffnet wird das Festival mit dem Drama "La fille de Brest" der französischen Regisseurin Emanuelle Bercot, die hier einen - tatsächlich stattgefundenen - Medikamentenskandal aus dem Jahr 2007 am Spital der nordfranzösischen Stadt aufgreift. Die titelgebende "Fille de Brest" ist eine Ärztin am örtlichen Spital, die mit viel Zivilcourage gegen ein Vertuschungsmanöver ankämpft. Verkörpert wird die Ärztin von der dänischen Schauspielerin Sidse Babett Knudsen, und der Film ist einer von 17 Beiträgen im Hauptwettbewerb der "Sección oficial" - und er ist dort auch der einzige, der von einer Frau realisiert wurde. Einer der im Wettbewerb wohl am meisten erwarteten Filme dürfte "El hombre de las mil caras" des Spaniers Alberto Rodríguez sein. Auch Rodríguez - der 2014 mit seinem Thriller "La isla mínima" in San Sebastián triumphiert (Silberne Muschel) und Monate später auch in den Schweizer Kinos Erfolge erzielt hatte - erzählt in seinem neuen Film von einem auf Tatsachen beruhende Skandal. Der "Mann mit den 1000 Gesichtern" ist der heute 80jährige spanische Geheimdienstagent Francisco Paesa, eine sinistre Figur, die in den 1990er Jahren als Auftragskiller, Waffenschieber und Geldwäscher unterwegs war und deren Spur sich seit Jahren verloren hat. Der Film ist einer von drei spanischen Filmen im Hauptwettbewerb, die beiden anderen sind "Que dios nos perdone" von Rodrigo Songoyen, ein Thriller der im Umfeld des Papstbesuchs in Spanien von 2011 angesiedelt ist, sowie das Liebesdrama "La reconquista" von Jonás Trueba. Waren in den letzten zwei Jahren vier spanische Filme im Hauptwettbewerb von San Sebastián präsent gewesen, so werden in der aktuellen Ausgabe einige der bekanntesten Namen des einheimischen Kinos "Fuera concurso" präsentiert. Dazu gehören die beiden Dokumentar- respektive Essayfilme "Manda huevos" von Diego Galán (dem ehemaligen Direktor des Filmfestivals San Sebastián und heute einer der bekanntesten Essayisten des Landes) und "Bigas x Bigas" von Bigas Luna und Santiago Garrido Rua. Während Diego Galán in ersterem eine vergnügliche Tour d'horizon durch die letzten 30 Jahre des spanischen Kinos unternimmt, hat der bislang vor allem als Cutter bekannte Santiago Garrido Rua in "Bigas x Bigas" ein unvollendetes Video-Tagebuch des vor drei Jahren verstorbenen grossen spanischen Regissseurs Bigas Luna fertiggestellt.


Bekanntester Name bei den einheimischen Filmen "Fuera concurso" ist indes Juan-Antonio Bayona. Der Regisseur, der vor vier Jahren mit dem Tsunami-Opus "Lo imposible" auch bei uns Furore machte, hat sich in "A Monster Calls" einmal mehr auf das Terrain gewagt, auf dem er 2008 in seinem Erstling "El orfanato", internationale Bekanntheit erlangt hatte: Dem des Horrorfilms. Die weibliche Hauptrolle in "A Monster Calls" - der wenig später auch am Zurich Film Festival läuft, wird von Sigourney Weaver verkörpert. Die 66 jährige Amerikanerin ist im Übrigen zusammen mit dem zwanzig Jahre jüngeren Ethan Hawke die Trägerin des diesjährigen Premio Donostia. Dass der Preis, der In San Seabstián jeweils für ein Lebenswerk vergeben wird, in diesem Jahr gleich an zwei Persönlichkeiten geht, kann als Zeichen für die gesteigerte Bedeutung des Festivals in diesem Jahr gesehen werden. Bekannte Namen unter den Autoren weiterer Wettbewerbsfilme sind unter anderem der des Isländers Baltasar Kormákur mit dem Actiondrama "The Oath" und jener von Ewan McGregor. der bekannte Schauspieler legt mit "American Pastoral" seine erste Regiearbeit vor.


Wie bereits letztes Jahr ist das Schweizer Filmschaffen auch heuer in keiner der Hauptsektionen vertreten, dafür ist aber in der Jury der 16 Filme umfassenden Wettbewerbssektion der "Nuevos Directores" ein prominenter Name aus der Schweiz mit von der Partie: Carlo Chatrian, künstlerischer Leiter des Filmfestivals Locarno - dem wohl grössten Konkurrenten des Festivals San Sebastián - ist Präsident der fünfköpfigen Jury, die den mit 50 000 Euro hoch dotierten Preis für den besten Erstlings- oder Zweitlingsfilm vergibt.

Insgesamt umfasst das diesjährige Filmfestival San Sebastián 232 Titel in fast zwanzig Sektionen. Während mit den beiden ganz dem lateinamerikanischen Kino gewidmeten Reihen "Horizontes Latinos" und "Cine en construcción" traditionellerweise zwei weitere kompetitive Sektionen auf dem Programm stehen, hat neu in diesem Jahr auch die so genannte "offene Sektion Zabaltegi" einen Wettbewerb. Er findet in dem neu renovierten zusätzlichen Festivalzentrum "Tabakalera" (einer riesigen ehemaligen Tabakfabrik neben dem Bahnhof) statt. Neben den beiden Retrospektiven - von denen eine dem Werk des französischen Regisseurs Jacques Becker gewidmet, und die andere, thematisch ausgerichtete, unter dem Titel "The Act of Killing" 32 Filmen der letzten 15 Jahre zu "Kino und globale Gewalt" gewidmet ist - dürfte es eine der Sektionen sein, die am meisten Beachtung finden.
(Geri Krebs)