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Sich schreibend den Filmen Ang Lees nähern. Von Walter Gasperi

Sich schreibend den Filmen Ang Lees nähern. Von Walter Gasperi

Mehrere Publikationen sind in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum über den taiwanesisch-amerikanischen Filmregisseur Ang Lee erschienen. Zwei Beispiele dafür sind Michael Peklers und Andreas Ungerböcks im Schüren Verlag erschienenes „Ang Lee und seine Filme“ und der fünfte Band der von Thomas Koebner und Fabienne Liptay herausgegebenen Reihe „Film-Konzepte“.

Michael Pekler und Andreas Ungerböck stecken in den Kapiteln „Menschen“, „Orte“ und „Zeiten“ Verbindendes im Werk des 1954 in Taiwan geborenen, aber seit über 30 Jahren in den USA lebenden Regisseurs ab. Der Widerspruch von Individuum und der Gesellschaft, speziell der Familie und Generationenkonflikte sowie die daraus resultierende Zerrissenheit von Lees Figuren werden dabei ebenso als wiederkehrende Themen herausgearbeitet wie die visuelle Übertragung dieser Motive in die mit Enge und Weite arbeitende Raumdramaturgie.
Einen bruchlosen Faden können die Autoren so trotz der Vielfalt und scheinbaren Inkohärenz von Lees Werk von den ersten Filmen mit der „Father Knows Best“-Trilogie („Pushing Hands“[1992], „The Wedding Banquet“[1993], „Eat, Drink, Man, Woman“ [1994]) über die Jane Austen-Verfilmung „Sense and Sensibility“ (1995), das im Amerika der frühen 70er Jahre angesiedelte Gesellschaftsporträt „The Ice Storm“ (1997) bis zum Martial-Arts-Film „Crouching Tiger, Hidden Dragon“ (2000), dem Welterfolg „Brokeback Mountain“ (2005) und Lees jüngstem Film „Taking Woodstock“ (2009) spannen. So verschieden der geographische und historische Kontext sein mag, immer gehe es Lee um die Veränderung eines Individuums, einen Neuaufbruch, wobei die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse ganz im Hintergrund blieben, nur als Katalysator dienten um Privates in Gang zu setzen.

In sich daran anschliessenden Interview spricht Lee vor allem über den Zusammenhang zwischen seinem Leben und seinen Filmen, über sein Selbstverständnis als Autorenfilmer oder Mainstream-Regisseur sowie über seine Arbeitsweise. Knapp gehalten sind die einzelnen Filmbeschreibungen, die auf jeweils zwei bis drei Seiten Inhaltsangaben und einige Hintergrundinformationen, aber keinesfalls wirklich tief schürfende Analysen, wie sie in den 80er Jahren die legendäre Blaue Reihe des Hanser Verlags bot, liefern. Sehr ausführlich sind dagegen wieder die Angaben der Filmcredits im Anhang.

Flüssig geschrieben und leicht lesbar, teilweise allerdings auch redundant bieten Pekler/Ungerböck somit zwar einen guten Einstieg in das Werk Lees, machen aber auch gerade im Vergleich mit dem schmalen fünften Band der hervorragenden Reihe „Film-Konzepte“ deutlich, um wie viel tiefer man gehen könnte. Nicht mehr auf dem aktuellsten Stand ist diese 2007 von Thomas Koebner, Fabienne Liptay und Matthias Bauer herausgegebene Publikation zwar, und endet mit „Brokeback Mountain“, bietet aber in sechs jeweils rund 15-seitigen Essays sehr fundierte und genaue Annäherungen an einzelne Filme Lees. Nicht im grossen Ganzen, sondern anhand der präzisen Beschreibung einzelner Szenen wird da von Isabell Gössele die Rolle von Blickwechseln oder von Fabienne Liptay die Korrelation zwischen emotionaler Verfassung der Figuren und Bildkomposition in den Filmen Lees herausgearbeitet. Gerade den weniger beachteten Filmen Lees widmet sich Matthias Bauer. Er zeigt einerseits auf, wie in „Ride with the Devil“ Griffiths „Birth of a Nation“ gewissermaßen umgeschrieben wird, andererseits widmet er sich ausführlich der komplexen Transformation des Comics „Hulk“ durch Lee, die auch diesen Film zu einem durch und durch persönlichen Werk seines Regisseurs macht.

Pekler, Michael / Ungerböck, Andreas, Ang Lee und seine Filme, Schüren Verlag, Marburg 2009, 192 S., € 24.90 / sFr 47.90

Koebner, Thomas / Liptay Fabienne / Bauer, Matthias, Film-Konzepte 5: Ang Lee, Edition text + kritik, München 2007. 104 S., € 14 / / sFr 24.90