74. Berlinale: Goldener Bär für "Dahomey" – Ein Resümee von Walter Gasperi
Der Goldene Bär der heurigen Berlinale geht an Mati Diops Dokumentarfilm "Dahomey", der iranische Beitrag "My Favourite Cake" wurde von der Ökumenischen Jury und dem Verband der Filmkritiker (FIPRESCI) ausgezeichnet. – Ein Rückblick auf Carlo Chatrians (und Mariette Rissenbeeks) Abschiedsausgabe.
Einen großen letzten Jahrgang erhoffte man sich von Carlo Chartrian, der im letzten Herbst seinen Rückzug erklärt hatte, nachdem Kulturstaatsministerin Claudia Roth sich gegen eine Fortführung der Doppelspitze mit einer Geschäftsführerin und einem künstlerischen Leiter ausgesprochen hatte. Als alleiniger Intendant wollte der italienische Filmexperte das Festival nicht führen.
Bekannte Namen fanden sich mit Olivier Assayas, Bruno Dumont und dem Mauretanier Abderrahmane Sissako nun in Chatrians Abschieds-Wettbewerb, doch ansehen konnte man diesen Filmen, dass Cannes-Chef Thierry Frémaux sie zumindest für den Hauptwettbewerb an der Côte d´Azur wohl abgelehnt hatte. Unterhaltsam ist zwar Dumonts Science-Fiction-Parodie "L´Empire", die mit dem Preis der Jury ausgezeichnet wurde, aber im Wettbewerb um die Goldene Palme kann man sich diesen Film kaum vorstellen, während Sissako mit "Black Tea" und Assayas mit "Hors du temps" einfach nur enttäuschten.
Auch aus den USA konnte man scheinbar nur den Independent-Film "A Different Man" bekommen, sodass der gewohnte Mix mit deutschen Filmen und eher kleinen Filmen des Weltkinos geboten wurde. Eine Plattform musste man aber selbstverständlich auch den vom World Cinema Fund der Berlinale selbst mitgeförderten Projekten wie "Pepe" und " Mé el Aïn – Who Do I Belong to?" bieten.
Bestenfalls durchwachsen fällt so das Resümee – zumindest zum Wettbewerb – aus. Sehenswerte Filme gab es zwar durchaus zu entdecken wie den iranischen Beitrag "My Favourite Cake", der von der internationalen Jury zwar übersehen, aber von der Ökumenischen Jury und dem Verband der Filmkritiker (FIPRESCI) ausgezeichnet wurde, Andreas Dresens "In Liebe, Eure Hilde", der bei der Preisverleihung leer ausging, oder Veronika Franz´ und Severin Fialas beklemmendes Historiendrama "Des Teufels Bad", für den Kameramann Martin Gschlacht für eine herausragende künstlerische Leistung mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, aber echte Highlights fehlten.
Immer wieder ein Vergnügen sind zwar die minimalistischen Filme des Koreaners Hong Sang-soo, aber überraschen konnte er mit "A Traveler´s Needs", der mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde, nicht. Am originellsten war sicherlich Nelson Carlos De Los Santos Arias´ "Pepe", der den Silbernen Bären für die beste Regie erhielt. Noch nie wurde wohl aus der Perspektive eines Nilpferds erzählt und wie der Debütant aus der Dominikanischen Republik zwischen 4:3- und Breitwandformat, zwischen Schwarzweiß und Farbe wechselt, bald von der Jagd auf den Drogenbaron Pablo Escobar und bald von dessen Nilpferden im kolumbianischen Dschungel erzählt, ist zwar unkonventionell und wagemutig, aber zu einem schlüssigen Film fügen sich die Einzelteile nicht.
Auch der Drehbuchpreis für Matthias Glasners Familiendrama "Sterben" geht in Ordnung, während der Goldene Bär für Mati Diops "Dahomey" auch ein Hinweis dafür ist, dass es den oder die überragenden Filme im Wettbewerb nicht gab. Echte Tiefschläge blieben im Wettbewerb zwar aus, aber eben auch Glanzlichter – und so entschied man sich nach Nicolas Philiberts "Sur l´Adamant" im Vorjahr zum zweiten Mal hintereinander für einen Dokumentarfilm.
Durchaus sehenswert ist diese anspruchsvolle Reflexion über die Rückgabe von einst geraubten afrikanischen Kulturgütern und die Folgen des Kolonialismus, doch schwer vorstellbar ist, dass "Dahomey" im deutschsprachigen Raum einen Verleih findet. Einerseits dürfte schon das Publikumsinteresse für das Thema gering sein, andererseits scheint es recht schwierig einen gerade mal 64 Minuten langen Film ins Kino zu bringen.
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PREISE DER 74. BERLINALE
INTERNATIONALER WETTBEWERB
Goldener Bär – Bester Film | Dahomey von Mati Diop |
Silberner Bär – Großer Preis der Jury | A Traveler's Needs von Hong Sang-soo |
Silberner Bär – Preis der Jury | L'Empire von Bruno Dumont |
Silberner Bär – Beste Regie | Nelson Carlos De Los Santos Arias für Pepe |
Silberner Bär – Herausragende künstlerische Leistung | Martin Gschlacht (Kamera) für Des Teufels Bad |
Silberner Bär – Bestes Drehbuch | Matthias Glasner für Sterben |
Silberner Bär – Bester Hauptdarsteller | Sebastian Stan in A Different Man |
Silberner Bär – Beste Nebendarstellerin | Emily Watson in Small Things Like These |
GWFF Preis Bester Erstlingsfilm | Cu Li Never Cries von Phạm Ngọc Lân |
Dokumentarfilmpreis | No Other Land von Basel Adra, Hamdan Ballal, Yuval Abraham, Rachel Szor |
Lobende Erwähnung | Direct Action von Guillaume Cailleau, Ben Russell |
Goldener Ehrenbär | Martin Scorsese |
Goldene Kamera | Edgar Reitz |
ENCOUNTERS | |
Bester Film | Direct Action von Guillaume Cailleau, Ben Russell |
Spezialpreis der Jury | The Great Yawn of History von Aliyar Rasti |
ex aequo | Some Rain Must Fall von Qui Yang |
Beste Regie | Juliana Rojas für Cidade; Campo |
BERLINALE SHORTS | |
Goldener Bär | An Odd Turn von Francisco Lezama |
Silberner Bär | Remains of the Hot Day von Wenqian Zhang |
Lobende Erwähnung | That's All From Me von Eva Könnemann |
Berlin Short Film Candidate for the European Film Awards | That's All From Me von Eva Könnemann |
GENERATION KPLUS KINDERKURY | |
Großer Preis | It’s Okay! von Kim Hye-young |
Lobende Erwähnung | Young Hearts von Anthony Schatteman |
Bester Kurzfilm | Papillon von Florence Miailhe |
Lobende Erwähnung | Amplified von Dina Naser |
GENERATION 14PLUS JUGENDJURY | |
Gläserner Bär für den besten Spielfilm | Last Swim von Sasha Nathwani |
Lobende Erwähnung | She Sat There Like All Ordinary Ones von Qu Youjia |
Gläserner Bär für den besten Kurzfilm | Cura Sana von Lucia G. Romero |
Lobende Erwähnung | Lapso von Caroline Cavalcanti |
GENERATION KPLUS INTERNATIONALE JURY | |
Großer Preis | Reinas von Klaudia Reynicke |
Lobende Erwähnung | Through Rocks and Clouds von Franco García Becerra |
Spezialpreis Kurzfilm | A Summer's End Poem von Lam Can-zhao |
Lobende Erwähnung | Uli von Mariana Gil Ríos |
GENERATION 14PLUS INTERNATIONALE JURY | |
Großer Preis | Who By Fire von Philippe Lesage |
Lobende Erwähnung | Maydegol von Sarvnaz Alambeigi |
Spezialpreis Kurzfilm | A Bird Flew von Leinad Pájaro De la Hoz |
Lobende Erwähnungen | Songs of Love and Hate von Saurav Ghimire |
TEDDY AWARDS | |
Bester Spielfilm | All Shall Be Well von Ray Yeung |
Bester Dokumentar-/Essayfilm | Teaches of Peaches von Philipp Fussenegger & Judy Landkammer |
Bester Kurzfilm | Grandmamauntsistercat von Zuza Banasińska |
Jury Award | Crossing von Levan Akin |
Special Teddy Award | Lothar Lambert |
CICAE ART CINEMA AWARD | |
Panorama | Sex von Dag Johan Haugerud |
Forum | Shahid von Narges Kalhor |
FIPRESCI JURY | |
Wettbewerb | My Favourite Cake von Maryam Moghaddam & Behtash Sanaeeha |
Encounters | Sleep With Your Eyes Open von Nele Wohlatz |
Panorama | Faruk von Aslı Özge |
Forum | The Human Hibernation von Anna Cornudella Castro |
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