61. Filmfestival San Sebastian (20.-28.9.). Von Geri Krebs
Die dritte Ausgabe unter der künstlerischen Leitung von José Luis Rebordinos hat nicht mehr den Anspruch mit so vielen Hollywoodstars aufzuwarten wie die letztjährige Jubiläumsausgabe, dafür aber ist das lateinamerikanische und auch das spanische Kino so stark vertreten wie schon lange nicht mehr.
Zur Eröffnungsgala am Freitagabend einen Film aus Lateinamerika, das gab es am Filmfestival von San Sebastian schon lange nicht mehr, und einen Animationsfilm zur Eröffnung, das gab es an diesem Festival, das mit ähnlichen Schlagworten wie jenes von Locarno wirbt („das Kleinste unter den Grossen“, „Cannes, Berlin, Venedig – und dann kommenwir“) noch gar nie: „Futbolin“ des Argentiniers Juan Jose Campanella („El secreto de sus ojos“) ist ein knapp zweistündiges Abenteuer für Erwachsene und Kinder, die nicht unbedingt Fussballfans sein müssen, um die Geschichte von dem Jungen in einer alten Bar mit einem Tischfussballkasten, bei dem die hölzernen Gesellen irgendwann sehr lebendig werden, zu geniessen. Campanella beweist mit dieser aufwändigen argentinisch-spanischen Co-Produktion, dass grosse Animation auch ausserhalb von Pixar und Co realisiert werden kann. Nicht minder aufwändig in einem ganz anderen Genre präsentierte sich in diesen ersten Festivaltagen ein spanischer Regisseur, der seit Jahren auf grossen internationalen Festivals bewiesen hat, dass es ein spanisches Kino auch jenseits von Pedro Almodovar gibt: Der 1965 geborene Alex de la Iglesia, spätestens seit dem Regiepreis für seinen vorletzten Film, „Balada triste de trompeta“ 2010 in Venedig kein Gehimtipp mehr, hat mit der Fantasy-Komödie „Las brujas de Zugarramundi“ ein Stück Spektakel-Kino präsentiert, das hier für Begeisterungsstürme sorgte – verstärkt noch durch den Umstand, dass Hauptdarstellerin Carmen Maura für ihr Lebneswerk den „Premio Donostia“ erhält. Der andere dieser Preise geht dieses Jahr an Hugh Jackman. Er ist einer der in diesem Jahr weniger dicht gesäten Hollywoodstars am baskischen Atlantikstrand, und er reist, ebenso wie Oliver Stone – der hier einen Director’s Cut seines „Alexander“ sowie seine TV-Serie „The Untold History of the United States“ präsentiert, gleich darauf ans Zurich Film Festival, um dort ebenfalls gehrt zu werden.
Von den 125 – neuen – Langfilmen, die in San Sebastian laufen, sind deren 14 dieses Jahr auch am Zurich Film Festival zu sehen. Der prozentuale Anteil von Filmen aus San Sebastian, die auch in Zürich laufen, ist damit gleich hoch wie im vergangenen Jahr. Und er liegt nur wenig höher als 2011, jenem Jahr unter dem neuen Direktor Jose Luis Rebordinos, als jene informelle Zusammenarbeit zwischen den beiden Festivals im grösseren Stil begann. Im April des laufenden Jahres wurde sie als institutionalisiert bekannt gemacht, und sie hat jetzt ihren sichtbaren Ausdruck in so genannten „Fenstern“ des jeweils anderen Festivals gefunden haben. Beim ZFF besteht das „San Sebastian Window“ aus drei – spanischsprachigen - Filmen, während es umgekehrt in San Sebastian gerade mal ein einziger Film ins „Zurich Film Festival window geschafft hat: „Puppy Love“, eine verstörende coming-of-age-Geschichte. Der Erstling der in Frankreich lebenden französisch-schweizerischen Doppelbürgerin Delphine Lehericey ist eine Koproduktion zwischen Belgien, Frankreich, der Schweiz und Luxemburg, mithin unter der den Langfilmen in San Sebastian gleichzeitig auch der einzige mit Schweizer Beteiligung. Mit vier Filmen aus Lateinamerika und einem aus Spanien ist im 17 Filme umfassenden Wettbewerb der „Nuevos Directores“ (erste und zweite Filme) der Anteil spanischsprachiger Filme beachtlich hoch, und dass im 13 Filme umfassenden Hauptwettbewerb zwei Filme aus Lateinamerika („Club Sandwich“ des Mexikaners Fernando Eimbcke und „Pelo malo“ der Venezolanerin Mariana Rondon) und drei Filme aus Spanien („Canibal“ von Manuel Martin Cuenca, „La Herida“ von Fernando Franco und „Vivir es facil con los ojos cerrados“ von David Trueba) präsent sind, zeigt den hohen Stellenwert des spanischsprachigen Kinos an disem Festival, das schon immer den Ruf hatte, eine Brücke zwischen Europa und Lateinamerika zu sein, dabei aber in früheren Ausgaben oftmals ein starkes Übergewicht an Filmen aus Asien und Osteuropa hatte. Asien ist in diesem Jahr mit einer integralen Retrospektive von Nagiso Oshima vertreten – die andere Retrospektive ist dem Animationsfilm gewidmet und schlägt damit den Bogen zum Eröffnungsfilm – derweil der Huptwettbewerb mit neuen Filmen von Atom Egoyan, Jasmila Zbanic und Bertrand Tavernier erneut mit sehr prominenten Namen bestückt ist.
(Geri Krebs)
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