14th Zurich Film Festival, 27.9.-7.10.2018 – Vorschau Irene Genhart
Dench, Depp, einige Promis und 162 Filme
Elf Tage, sechs Spielstätten, 15 Kinosäle, 162 Filme, darunter 42 Erstlingswerke, 12 Weltpremieren, 16 Schweizerfilme: Zahlenmässig bewegt sich das 14th Zurich Film Festival im Rahmen der letztjährigen Edition. Auch sonst bleibt fast alles beim Gewohnten: Man erwartet viel Prominenz und einige Stars auch aus Hollywood, nebst einigen neuen Schweizerfilmen – wie etwa „Wolkenbruch“ von Michael Steiner – wird Leopoldt Lindtbergs und Walter Leschs Komödie „Jä-soo!“ von 1935 frisch restauriert neu aufgeführt. Erstmals verliehen wird dieses Jahr ein „Goldenes Auge“ für eine TV-Serie. Neu geschaffen hat man die Sektion „Hashtag“, deren Augenmerk sich 2018 auf Big Data richtet.
Stars und Gala-Premieren
Judi Dench, Donald Sutherland, Johnny Depp haben ihr Kommen angekündigt und darauf sind die Festivaldirektoren Nadja Schildknecht und Karl Spoerri so richtig stolz: Wo andere Festivalorganisatoren die Qualität ihrer Veranstaltung anhand von Premierendichte und Neuentdeckungen messen, setzt man am Zurich Film Festival (ZFF) auch im 14. Jahr auf Gala-Premieren, Glamour und Prominenz. An der Pressekonferenz brüstet man sich zuerst dann auch damit, die Plattform für die Lancierung der grossen Herbsttitel im deutschsprachigen Europa zu sein. Zudem verspricht man, „alle relevanten Titel der kommenden Award Season“ vorzustellen. Dabei redet man jovial von „grossem Staraufkommen“. Was um Publikum anzulocken das schlechteste Rezept wohl nicht ist: Die Verleihung von Ehrenpreisen wie den „Golden Icon Award“ und den „Lifetime Achievement Award“ an grosse Stars wie Judi Dench und Donald Sutherland versprechen Scharen von Fans an den Rand des Grünen ZFF-Teppichs auf dem Sechseläuteplatz zu locken, dito der „A Tribute to…“- Award an Wim Wenders. Der eine oder die andere, die da einen Blick auf ihr Idol erhaschen, finden danach hoffentlich den Weg auch in einen Kinosaal, wo man ältere Filme von Wim Wenders und mit Donald Sutherland wiedersehen kann und Dame Judi Dench sich bei ihrem jüngsten Auftritt in Trevor Nunns „Red Joan“ in der Rolle von Grossbritanniens einflussreichster Spionin bewundern lässt.
Johnny Depp hingegen wird in Zürich kein „Golden Eye“ abholen. Doch er wird – so wie Joel Basman, Sebastian Koch, David Kross, Justus von Dohnány, Viggo Mortensen, Alice Rohrwacher, Peter Farrelly, Jennifer Fox – ebenfalls über den ZFF-Teppich schreiten, da und dort eine Unterschrift geben, vielleicht gar ein Selfie zulassen. Das alles, um Wayne Roberts „Richard Says Goodbye“ zu promoten, einer laut Programmankündigung mit „bissigem Humor und einer Prise Verrücktheit“ inszenierten dramatischen Komödie um einen ausgebrannten College-Professor. Das klingt nach einer Paraderolle für den sich seit Jahren auf Exzentriker-Rollen kaprizierenden Depp, der selbstverständlich auch hier die Hauptrolle spielt: Man darf sich freuen!
Drei Wettbewerbe und ein neu geschaffener Preis
Nebst den ausser Konkurrenz gezeigten Gala-Vorstellungen und den Special Screenings, unter denen sich mit Spannung erwartete Titel wie „Werk ohne Autor“, „A Star Is Born“, „First Man“ und „Juliet, Naked“ ankündigen, finden am ZFF unterteilt in die Sektionen „Internationaler Spielfilm“, „Internationaler Dokumentarfilm“ und „Fokus: Schweiz, Deutschland, Österreich“ parallel drei Wettbewerbe statt. Gezeigt werden einmal 14, zweimal je 12 Filme. Die Preise sind in den internationalen Sektionen mit 25‘000 CHF, im deutschsprachigen Wettbewerb mit 20‘000 CHF dotiert. Woher diese Differenzierungen rühren, lässt sich nicht ergründen. Schliesslich werden in allen Wettbewerben erste, zweite oder dritte Regiearbeiten gezeigt und in der Produktion billiger sind Werke aus dem deutschen Sprachraum per se nicht.
Auch in den Wettbewerben locken Filme, die – weil sie an anderen Festivals bereits liefen – sich schon im Voraus als Perlen bestimmen lassen. Reinaldo Marcus Greens am Sundance Festival als „Outstanding First Feature“ ausgezeichneter „Monsters and Men“ etwa, und Tim Wardles mehrfach preisgekrönter Dokumentarfilm „Three Identical Strangers“, der vom Zusammenfinden nach der Geburt getrennter eineiiger Drillinge erzählt. Aber auch Gustav Möllers Thriller „The Guilty“, der sich nach seiner Premiere in Sundance zum wahren Festival-Renner mauserte, gehört zu den ZFF Wettbewerbsperlen.
Bloss ein einziger Schweizerfilm hat es dieses Jahr in den internationalen Wettbewerb geschafft: „Subito – Das Sofortbild“ von Peter Volkart, der Dokumentarfilm laut Programmheft ist eine „Ode an die Sofortbildkamera“ als „technologische Wundermaschine und mondänes Kunstobjekt“, feiert am 28.9. seine Weltpremiere.
Die Preisverleihung, für gewöhnlich der krönende Glanzpunkt des ZFF, findet dieses Jahr am 6. Oktober im Opernhaus statt. Erstmals verliehen wird bei dieser Gelegenheit ein Goldenes Auge für die beste Serie. Vielleicht ist in Zeiten, in denen TV-Produktionen oft weit innovativer daherkommen als das Mainstream-Kino, die am ZFF 2014 eingerichtete Sektion „Series“ tatsächlich der Geheimtipp; zumindest einen Teil von „Picnic at Hanging Rock“ oder „Lykkeland“ auf der grossen Leinwand anzuschauen ist nicht nur für Serien-Junkies ein besonderes Vergnügen, und dass das ZFF alle Teile von Liz Garbus‘ heftig diskutierter Doku-Serie „The Fourth Estate“ um die Berichterstattung der New York Times über die ersten 100 Tage Trump zeigt, darf man wohl auch als politisches Statement interpretieren.
Alles beim Alten – oder fast
Es kündigt sich das 14. ZFF-Jahr weitgehend so an, wie die letzte und vorletzte Edition. Tatsächlich liegt die vielleicht grösste Leistung der Festivalleitung dieses Jahr darin, trotz den wegfallenden Fördergeldern vom BAK, mit dem gleich grossen Budget wie das letzte Jahr operieren zu können. Ab nächstem Jahr, liess Nadja Schildknecht an der Pressekonferenz verlauten, hoffe man mit den Bundesgeldern wieder rechnen zu können. Schliesslich nämlich hat man die Hausaufgaben gemacht und die Firma, die nach dem Einstieg der NZZ-Mediengruppe 2016 als „undurchsichtig“ eingestuft wurde, solcherart umgebaut, dass sie den Anforderungen des Bundesamtes für Kultur nun wieder genügt.
Obwohl Spoerri und Schildknecht betonen, dass sie ihr Festival kontinuierlich weiterentwickeln, ist davon dieses Jahr nicht viel zu spüren. Im Programm wirklich neu ist nur die Sektion „Hashtag“. In deren Rahmen werden dieses Jahr eine Reihe von Spiel- und Dokumentarfilmen zum Schlagwort „Big Data“ gezeigt, zu sehen sind so unterschiedliche Werke wie das vom chinesischen Konzeptkünstler Bing Xus aus (echten) Aufnahmen von (echten) Überwachungskameras gefertigte Drama um eine aus einem buddhistischen Kloster austretende Nonne („Dragonfly Eyes“), Christian Freis und Maxim Arbugaevs Dokumentarfilm über Mammutjäger, Genforscher und Klonspezialisten („Genesis 2.0“) und Maxim Pozdorovkins Doku über Roboter, die Menschen ihre Arbeit abnehmen und dabei immer mehr zu deren Konkurrenten werden (The Truth About Killer Robots“). Abgerundet wird „#BigData“ mit einer Reihe von ZFF Talks. Sie tragen vielversprechende Überschriften wie „Virtual Reality in Forschung und Film“, „Wenn Science Fiction Realität wird“, „New Media, AI and how it affects our lives“, ebenfalls lohnen dürfte sich ein Blick in die Ausstellung „Seeing Science“, die nach der Vernissage vom 29.9. leider nur während fünf Tagen je fünf Stunden geöffnet ist (1.-5.10, je 10-15h, Sihlcity).
Nicht zuletzt
Bleiben zu erwähnen zwei, drei Nebensektionen: Der zum 7. Mal durchgeführte Filmmusikwettbewerb, dessen Teilnehmer einen neuen Soundtrack zu Steve Cutts „Happiness“ komponierten, die Preisübergabe und Aufführung der fünf besten Eingaben findet am 4.10. in der Tonhalle Maag statt. Die Sektion ZFF für Kinder, in der dieses Jahr insgesamt neun neue Kinder- und Familienfilme vorgeführt werden. Und nicht zuletzt die Sektion „Neue Weltsicht: Italien“, in der es 2018 einige wirkliche aufregend neue Filme aus Europas Süden zu entdecken gibt: so auch Alice Rohrwachers wunderschön magischer, in Cannes mit dem Preis fürs beste Drehbuch ausgezeichneter „Lazzaro Felice“.
Infos und Tickets unter zff.com
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