Poulet aux prunes
Rezension von Cindy Hertach
Der zweite Kinofilm der iranischen Comic-Zeichnerin Marjane Satrapi („Persepolis“) ist für einmal kein düsterer Trickfilm, sondern eine bonbonfarbene Liebesgeschichte. Darin möchte ein trauriger Geigenspieler sterben – aber nicht ohne noch einmal von seiner grossen Jugendliebe geträumt zu haben.
Teheran, 1958: Der weltberühmte Violinist Nasser Al Khan ist untröstlich. Während eines heftigen Streits zerschmetterte seiner Frau Faringuisse in unbändiger Wut seine geliebte Violine. Da das Instrument nicht mehr zu retten ist und Nasser sich kaum vorstellen kann, dass irgendwo auf dieser Welt ein gleichwertiger Ersatz für seine Geige existiert, verfällt er in eine tiefe Depression. Der früher lebensfrohe Musiker beschliesst, seinem unglücklichen Leben ein Ende zu setzen, indem er sich ins Bett legt, um zu sterben. In den acht Tagen, in welchen er auf das Erscheinen des Todesengels Azrael (Edouard Baer) wartet, zieht Nassers ganzes, ereignisreiches Leben noch einmal an ihm vorbei. Dabei erinnert er sich auch an seine grosse und heimliche Jugendliebe. Und am Ende versteht man, warum Nasser seine alte Geige so sehr geliebt hat.
Marjane Satrapis Erfolgsgeschichte
Durch ihren autobiographischen Comic „Persepolis“ wurde die Iranerin Marjane Satrapi einem breiteren Publikum bekannt. Seit dessen Erscheinen im Jahr 2004 wurde der Comic für Erwachsene bereits eine Million mal verkauft und ist unterdessen in fünfundzwanzig Sprachen übersetzt worden. Die gleichnamige Trickfilmadaption über die traumatischen Kindheits- und Jugenderinnerungen der Iranerin gewann 2007 sogar den Jury-Preis in Cannes. Jene eindrückliche Geschichte über das unerträgliche Leben während der Islamischen Revolution im Iran erzählte die Künstlerin in einer klaren und auf das wesentliche reduzierten Bildsprache, deren düstere schwarz-weisse Ästhetik die Trostlosigkeit der Geschichte noch zusätzlich hervorhob.
Persisches Märchen in Bonbonfarben
In ihrem ersten Realfilm „Poulet aux Prunes“ schlägt Satrapi nun sowohl inhaltlich als auch formal neue Wege ein. Die Lebensgeschichte des fiktiven Grossonkels Nasser ist ein betont phantasievoller und farbenfroher Film, der zumindest vordergründig ein wenig wie ein orientalisches Märchen wirkt, welches statt in Tausendundeiner Nacht nun einfach im Iran der späten 1950er Jahren spielt. Dazu tragen nicht nur die phantastischen Elemente und Figuren bei. Auch die vielen verspielten Trickfilm-Einlagen und fast schon kitschigen Tableaux-Bilder sowie der sinnliche Soundtrack entführt das Publikum in eine zauberhafte Welt, die manchmal an Jean-Pierre Jeunets „Le fabuleux destin d'Amélie Poulain“ erinnert.
Die politische Ebene
Doch trotz seiner auf den ersten Blick verspielten Sorglosigkeit lässt der Film Kritik an der damaligen politischen Situation im Iran durchblitzen – auch wenn diese nur zwischen den Zeilen lesbar ist. In Nassers Erinnerungen, die während den acht Tagen auf seinem Sterbebett vor seinen Augen vorbeiziehen, wird sichtbar, wie sehr die moderne iranische Gesellschaft damals in den 50er Jahren in ihren Erwartungen an den Schah enttäuscht wurde. Wer Marjana Satrapis Werke und politische Einstellung kennt, ahnt darum, dass auch diese bonbonfarbene Tragikomödie mehr als reine Sentimentalität ist.
(Cindy Hertach)
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