Mit dem Bauch durch die Wand

CH 2011, 93 Min., CH-Dialekt, Buch & Regie: Anka Schmid, Dokumentarfilm

Mit dem Bauch durch die Wand

Rezension von Stefan Volk

Es braucht gar nicht viel, damit „die Leute“ auf der Strasse sich kopfschüttelnd nach einem umdrehen. Man muss nicht nackt oder grölend um die Häuser ziehen. Es genügt schon, dass man schwanger und jung ist; zu jung in den Augen „der Leute".

Eines der drei Mädchen, das die Zürcher Regisseurin Anka Schmid im Dokumentarfilm „Mit dem Bauch durch die Wand“ auf ihrem Weg als junge Mutter begleitet, erzählt in die Kamera, wie nicht nur hinter ihrem Rücken getuschelt wurde. Teilweise seien wildfremde Menschen stehen geblieben und hätten mit dem Finger auf sie gezeigt.

Seltener Glücksgriff

Sandra, Jasmine und Jennifer heissen die drei Teenagermütter, die sich über mehrere Jahre hinweg von Schmid über mehrere Jahre liessen. Es sind drei junge Frauen, die zunächst eigentlich nur verbindet, dass sie jung und ungewollt schwanger wurden, wie viele andere wahrscheinlich auch, dass sie dann aber den Mut hatten, das Kind auch zu behalten, wie nicht mehr ganz so viele sonst. In der Schweiz, sagt Produzentin Franziska Reck, gäbe es nicht viele jugendliche Mütter. Es sei daher gar nicht so einfach gewesen, geeignete Kandidatinnen für den Film zu finden. Insofern erweist sich „Mit dem Bauch durch die Wand“ als Glücksgriff. Auch mit dem Spektrum an Persönlichkeiten, das er abdeckt. Die drei Protagonistinnen begegnen zwar immer wieder ähnlichen Schwierigkeiten, gehen damit aber durchaus unterschiedlich um.

Monatelange Funkstille

Regisseurin Anka Schmid bemüht sich darum, den jeweiligen Alltag der Teenagemamas möglichst authentisch abzubilden. Sie selbst tritt im Film nicht in Erscheinung, und oftmals vermittelt die Kamera den Eindruck, das unverfälschte Leben der drei Mädchen einfach nur mitzuschneiden. Tatsächlich aber zeigten sich die drei wohl nicht immer so kooperativ, wie das im fertigen Film rüberkommt. Bisweilen herrschte monatelange Funkstille. Eines der Mädchen wechselte auch schon mal das Handy, ohne vorher Bescheid zu geben und war dann erst mal gar nicht mehr erreichbar. So blieb Schmid am Ende wohl gar nichts anderes übrig, als regelmässig zum konventionellen dokumentarischen (Fernseh-)Format zurückzukehren und die Protagonistinnen oder ihre jeweiligen Partner ausführlich in die Kamera sprechen zu lassen. Spannend bleibt das Projekt dennoch. Und zwar gerade weil es sich bei den Protagonistinnen des Films um drei Frauen aus unterschiedlichen sozialen Milieus handelt und der Film sie in einem Lebensabschnitt begleitet, in dem ihre persönliche Entwicklung noch weitgehend offen ist.

Popstarposen am Kinderwagen

So hautnah, ehrlich und unverfälscht der Dokumentarfilm über weite Strecken wirkt, sollte das dennoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch hier Leinwandfiguren und reale Personen nicht deckungsgleich sind. Wie Produzentin Franziska Reck im Publikumsgespräch auf der „Berlinale“ verriet, mussten die Dreharbeiten nach circa drei Jahren abgebrochen werden, weil die Kinder der Teenagermütter lieber mit Anka Schmid spielen wollten als sie zu ignorieren. Man darf annehmen, dass die jungen Mütter die Kamera schon zuvor im Hinterkopf hatten, und das nicht nur, in dem, was sie taten, sondern auch in dem, was sie nicht taten; also nicht nur, wenn sie sich in Popstarposen neben dem Kinderwagen räkelten, sondern auch wenn sie ihr Kind lieber anlächelten als es anzuschreien. Hinzu kam, dass es, wie Reck berichtete, meist die jungen Frauen waren, die das Filmteam benachrichtigten, wenn sie sich bereit für einen Dreh fühlten.

Mutmacher für die Zukunft

Wie das Leben der drei jungen Mütter sich in Wirklichkeit anfühlt, davon kann „Mit dem Bauch durch die Wand“ allenfalls eine Ahnung vermitteln. Dass ihm das auf eine sehr zurückhaltende, respektvolle Weise gelingt, ohne die drei jungen Frauen blosszustellen, ohne noch einmal mit dem Finger auf sie oder auch die jungen, teilweise gar nicht verantwortungsvollen Väter (zwei von ihnen suchten erst mal das Weite) zu deuten, zeichnet diesen kleinen, aufwändig produzierten, aber unspektakulär inszenierten Dokumentarfilm aus. Als naturalistische Bestandsaufnahme greift er am Ende vielleicht zu kurz, nicht aber als Mutmacher für die Zukunft.
(Stefan Volk)

     

Kritiken

- Ana Matijasevic für cineman.ch
- Urs Arnold für outnow.ch
- Bericht von 10vor10 auf videoportal.sf.tv
- Béatrice Koch für coopzeitung.ch
 
Offizielle Website Verleiher
www.mitdembauch-film.ch Columbus Film

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