Hallo Betty
Filmkritik von Walter Gasperi
1956 schuf die Schweizer Werbetexterin Emmi Creola-Maag mit Betty Bossi eine Kunstfigur, die zunächst mit einer Kochzeitung, dann mit einer Koch-Show im Fernsehen zur Köchin der Nation wurde. Pierre Monnard erzählt rund und unterhaltsam, aber auch sehr bieder diese Erfolgsgeschichte.
Mit dem milieuechten Sozialdrama "Platzspitzbaby" gelang dem Westschweizer Pierre Monnard 2020 ein Publikumserfolg. Noch stärkeren Eindruck hinterließ vier Jahre später das intensive Brüderdrama "Bisons". Monnard präsentierte sich als Regisseur mit Gespür für starke Bilder und schillernde Figuren, der packend erzählen konnte. Hoch waren damit die Erwartungen an seinen Film über die Schweizer Köchin der Nation Betty Bossi, doch überraschend bieder und massenkompatibel ist das Ergebnis.
Gerahmt wird die Handlung durch ein Interview einer jungen Journalistin mit der alten Emmi Creola-Maag. Faktentreue ist damit nicht mehr nötig, erscheint die Erzählung doch als die ausschmückenden Ausführungen der Protagonistin. Gleichzeitig versucht Monnard mit der Journalistin wohl auch einen Anknüpfungspunkt für das heutige jugendliche Publikum zu schaffen.
In detailreicher Ausstattung und farbintensiven Bildern wird zwar die Welt der 1950er Jahre beschworen, doch förmlich auf Sparflamme köcheln die Konflikte. Sichtbar wird zwar die Dominanz der Männer in der Werbeagentur, in der Emmi Creola-Maag (Sarah Spale) die Kampagne für den Speiseölhersteller Astra betreut, doch unrealistisch aufgeschlossen ist der patriarchale, aber verständnisvolle Chef (Ueli Jäggi) für ihre Vorschläge einer Koch-Zeitung.
Gegenpol zu diesem väterlichen Vorgesetzten ist ein junger, aus der Westschweiz stammender Mitarbeiter mit Amerika-Erfahrung (Cyril Metzger), dem die Vorschläge und der Erfolg Emmis ein Dorn im Auge sind. Nicht nur hier spielt Monnard mit der Amerika-Begeisterung der 1950er Jahre, sondern auch in der Begeisterung von Emmis Mann Ernst (Martin Vischer) für Fernseher und Küchentechnik. Ausgespart wird aber, dass Emmi für ihre Kunstfigur Betty Bossi die fiktive amerikanische Kochfigur Betty Crocker als Vorbild diente.
Wie die Rolle der Frau in einer männerdominierten Arbeitswelt der 1950er Jahre höchstens weichgespült angerissen wird, so wird auch die Situation einer erwerbstätigen Mutter nicht wirklich ausgeleuchtet. Nett soll ihre Familie mit drei Kindern und einem liebevollen Mann sein. Chaos herrscht zuhause zwar, wenn ihre Kochzeitung und Auftritte in Lebensmittelläden immer mehr Zeit in Anspruch nehmen und sich der Mann um den Haushalt und die Kinder kümmern sollte und auch ein echter Konflikt kann nicht ausbleiben, doch gewiss ist auch, dass dieser bald gelöst wird.
Bei weitem nicht ausgeschöpft werden aber auch die Minderwertigkeitsgefühle, die bei Ernst aufkommen, als seine Frau Karriere macht und mehr verdient als er. Statt in die Tiefe zu bohren, tippt Monnard lieber Problemfelder an der Oberfläche an und zeigt komödiantisch, wie wenig sich die Männer an der Hausarbeit beteiligen, wenn Emmis Mann nie weiß, in welchen Kasten die Teller gehören und das Spülbecken mit schmutzigem Geschirr überquillt.
Während Emmi in ihrer Zeitung Gerichte präsentieren will, die Pfiff haben und nicht mehr "Grüezi Grüezi" sind, lässt dieses Feelgood-Movie gerade die Würze vermissen und ist sehr "Grüezi Grüezi". Immerhin ist "Hallo Betty" damit dank starker Schauspieler:innen und runder Inszenierung aber auch so "gelingsicher" wie Emmis Rezepte, denn beim Publikum dürfte dieser Film durchaus ankommen.
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