Gatos Viejos
Pressetext
Isidora und Enrique sind um die 80 und leben mit ihren ebenso betagten Katzen in einer eleganten Wohnung in Santiago. Nur befindet sich diese im achten Stock und macht Isidora schnell zur Gefangenen, wenn wieder mal der Lift ausfällt. Ausgerechnet an einem solchen Tag kündigt die Tochter ihren Besuch an. Das kann nichts Gutes verheissen.
Bald fegt die zapplige Rosario wie ein Orkan durch die Wohnung. Sie ist allergisch auf Katzen, doch nicht nur das. Nachdem sich auch ihre Freundin «Hugo» dazugesellt hat, schimmern die wahren Beweggründe der Visite durch: Sie haben es auf das Apartment abgesehen. Das ist zu viel für Isidora, die ihre Anflüge von Demenz vor den Gästen kaum mehr verbergen kann. Und plötzlich geht es hier nicht mehr ums Geld, sondern um Liebe, Vergänglichkeit und verpasste Chancen. Ein virtuos inszeniertes Kammerstück, das nahtlos von der Komödie in die Tragödie und wieder zurück gleitet. Nach dem wunderbar anrührenden Erfolgsfilm «Cinco dias sin Nora» aus Mexiko erreicht uns hier eine Überraschung aus Chile, eine besinnliche Komödie übers Altwerden. Von den französischen Art-et-Essay-Kinos in Cannes 2011 zum besten Film ihres Programms geadelt.
Vom Altwerden
Es sind die kleinen seelischen Regungen, an denen die beiden Filmemacher Pedro Peirano und Sebastián Silva interessiert sind. In ihrem letzten Film La nana, dem eine bemerkenswerte Festivalkarriere mit Preisregen beschieden war, tasteten sie seismografisch die Seele einer verhärmten Hausangestellten ab, die sich durch eine besondere Begegnung nach und nach öffnen lernt. Im eigenwilligen Gatos viejos folgen sie nun der Bewegung in die andere Richtung: dem Rückzug in die eigene Welt einer Frau, die die allerersten Anzeichen von Alzheimer an sich wahrnimmt. Die sich – derart in die Enge getrieben – Gedanken machen muss zu ihrer Wohnsituation, aber auch zum Verhalten ihrer rabiaten Tochter.
Faszinierend an der vierhändigen Arbeit der beiden Filmemacher ist der ihnen eigene Stil, der dokumentarisches Beobachten mit fulminantem Schauspiel verbindet und aus dem Schlagabtausch gereifter Charaktere jenen Humor destilliert, den das Leben schreibt. Da fliegen auch mal die Fetzen und fallen harte Worte. Unter Wahrung der Einheit von Ort, Zeit und Handlung weitet sich der Film so in drei Akten von der bissigen Komödie zum persönlichen Drama der Hauptfiguren – mehr noch zum menschlichen Drama schlechthin: Wie fühlt es sich an, alt zu werden, wachen Bewusstseins zu spüren, dass einen die geistigen Fähigkeiten verlassen? Zu merken, dass einem nur noch wenig Zeit bleibt, gewisse Dinge ins Lot zu bringen? Mit naturalistischem Blick hält die Kamera die Beschwerlichkeiten im Alter fest, registriert Isidoras seelisches Beben in Close-ups, verwandelt ihr Gesicht in eine eigentliche Landschaft der Emotionen. Durch die Perspektive der bejahrten Isidora erfahren wir ihren verzerrten Blick auf die Tochter und das Gefühl beginnender Umnachtung sozusagen aus erster Instanz. Zerbrechlich auf der einen, steif auf der andern Seite – dieses Seilziehen meistert die chilenische Theaterikone Bélgica Castro alias Isidora mit Brillanz. Sie blickt mit 90 Jahren auf eine aussergewöhnliche Schauspielkarriere zurück und ist mit ihrem Filmpartner Enrique, dem Dramaturgen Alejandro Sieveking, auch im richtigen Leben zusammen. Fast schon logisch, dass der Schauplatz ihre eigene Wohnung ist, Katzen inklusive! Wenn Isidora sich schliesslich eingestehen muss, dass auch sie Schuld trifft, dass sie nämlich ihrer Tochter zu wenig Liebe geschenkt hat, wird eine kleine Geste der Versöhnung möglich, etwas mehr Verständnis, ein wenig Zärtlichkeit, ohne dass wir deswegen auf ein Happy End zusteuern. Nein, wir befinden uns mitten im Leben.
(Brigitte Siegrist)
Kritiken
National | International |
- Christoph Schelb für outnow.ch | - Ronnie Scheib für variety.com |
- Kathrin Halter für zueritipp.ch | - Andrew Schenker für slantmagazine.com |
Verleiher |
Trigon Film |
Kommentare
Bitte melden Sie sich Logan oder registrieren Sie sich um kommentieren zu können.