Vorschau auf die 68. Berlinale. Von Walter Gasperi

Vorschau auf die 68. Berlinale. Von Walter Gasperi

Auch die heurige Berlinale (15. – 25.2.2018) dürfte mit Berlinale-Stammgästen wie Wes Anderson, Christian Petzold, Steven Soderbergh und Malgorzata Szumowska sowie einigen Newcomern den für Festival-Direktor Dieter Kosslick typischen Mix bieten. – Stark ist auch die Präsenz des Schweizer Films.

79 Filmschaffende unterzeichneten im Herbst 2017 eine Petition mit dem Ruf nach einer Reform der Berlinale. Sehen konnte man das auch als Kritik an Festival-Direktor Dieter Kosslick, der das grösste deutsche Filmfestival seit 2001 leitet und dessen Vertrag 2019 auslaufen wird.

Verstehen kann man diese Kritik, denn der Abstand zu den beiden anderen grossen europäischen Filmfestivals von Cannes und Venedig ist im letzten Jahrzehnt zweifellos grösser geworden. Ob man freilich dem Direktor daran die Schuld geben kann, muss man bezweifeln, denn dieser muss eben nehmen, was er bekommen kann. Wer aber die Chance hat seinen Film in Cannes unterzubringen, geht lieber dorthin und gibt Berlin einen Korb.

Zeigten renommierte Regisseure wie Brillante Mendoza oder Terrence Malick in den letzten Jahren in Berlin ihre neuen Filme, entpuppten sich diese vielfach als Enttäuschung, andererseits gingen Regisseure, die in Berlin entdeckt wurden und Erfolge feierten wie Ashgar Farhadi („Nader und Simin“), Maren Ade („Toni Erdmann“) oder Valeska Grisebach („Western“) mit ihren folgenden Filme vielfach an die Côte d`Azur.

Eröffnung mit Wes Anderson
Zu einem Fest könnte freilich der Eröffnungsfilm werden. Mit Wes Andersons Animationsfilm „Isle of Dogs“ folgt Kosslick zwar auch dem inzwischen bekannten Schema des jährlichen Wechsels zwischen einem europäischen Film, der nach der Premiere dann vielfach von der Bildfläche verschwindet, und einem großen amerikanischen Film – zweimal eröffneten die Coens in den letzten Jahren das Festival, zum zweiten Mal nun auch Wes Anderson -, aber der Trailer und auch die Erinnerung an Andersons ersten Animationsfilm „The Fantastic Mr. Fox“ schrauben hier die Erwartungen doch in die Höhe.

Deutsche Filme im Bärenrennen
Gespannt sein darf man im Wettbewerb freilich auch auf Christian Petzolds Anna-Seghers-Verfilmung „Transit“. Während dieser Berlinale-Stammgast („Gespenster“, „Barbara“) längst fällig für den Hauptpreis eines grossen Festivals ist, wurden Thomas Stuber mit „In den Gängen“ und Emily Atef, die in „3 Tage in Quiberon“ ein Porträt Romy Schneiders zeichnet, erstmals ins Rennen um den Goldenen Bären eingeladen. An Philip Grönings „Mein Bruder heißt Robert und ist ein Idiot“ ist schliesslich auch die Schweiz durch Ventura Film als Koproduzent beteiligt.

Starke Schweizer Präsenz
Die Schweiz ist heuer insgesamt sehr stark an der Spree präsent. Neben der Koproduktion „Figlia mia“ der Italienerin Laura Bispuri, die schon 2016 mit „Sworn Virgin“ ein starkes Debüt im Berlinale-Wettbewerb präsentierte, läuft außer Konkurrenz der Dokumentarfilm „Eldorado“, in dem Markus Imhoof („More than Honey“) der Behandlung von Flüchtlingen nachspürt.

Dazu kommen in der Sektion Panorama Ursula Meiers und Lionel Baiers Teile der Miniserie „Ondes de choc“ sowie Nicolas Wagnières´ Dokumentarfilm „Hotel Jugoslavija“. Germinal Roaux´ zweiter langer Spielfilm „Fortuna“ läuft in der Sektion Generation 14+, für die mit Marie de Maricourts „Je fais où tu me dis“ und Jules Carrins „Premier amour“ auch zwei Kurzfilme aus der Romandie eingeladen wurden. Für die Berlinale Shorts wiederum wurden aus der Schweiz der „Animationsfilm „Coyote“ des Luzerners Lorenz Wunderle sowie „Imfura“ des ruandischen Filmemachers Samuel Ishimwe ausgewählt.

Auch bei den European Shooting Stars ist die Schweiz mit Luna Wedler, der Hauptdarstellerin von Lisa Brühlmanns für sieben Schweizer Filmpreise nominiertem „Blue My Mind“, vertreten, während Ella Rumpf als eine von Varietys „10 Europeans to watch in 2018“ vorgestellt wird.

Stammgäste im Wettbewerb
Auffallend gross ist die Zahl von Regisseuren, die schon im Berlinale-Wettbewerb vertreten waren. Die 2015 für „Body“ mehrfach ausgezeichnete Polin Malgorzata Szumowksa zeigt ebenso ihren neuen Film „Twarz“ („Mug“) wie der Iraner Mani Haghighi mit „Khook“ („Schwein“) und der Amerikaner Gus Van Sant mit „Don´t Worry, He Won´t Get Far on Foot“.

Während Gus Van Sants Film bei seiner Premiere beim Sundance Festival nicht besonders gut ankam, scheint David und Nathan Zellners Westernkomödie „Damsel“ zumindest blendende Unterhaltung zu bieten. Schwere Kost dürfte dagegen mit dem neuen Film von Lav Diaz („In Zeiten des Teufels“), der mit 234 Minuten für den Philippino überraschend kurz ist, und des Russen Alexey German Jr. („Dolotov“) auf dem Programm stehen.

Diese beiden Regisseure sind ebenso wenig Neulinge im Bären-Rennen wie die Franzosen Cedric Kahn, der mit „La prière“ eingeladen wurde, sowie Benoît Jacquot, auf dessen Remake des Joseph-Losey-Films „Eva“ man gespannt sein darf.

Newcomer
Mit „Touch Me Not“ der Rumänin Adina Pintilie und „Las herederas“ des Paraguayaners Marcelo Martinessi sind aber auch zwei Erstlingswerke vertreten, die ebenso für Überraschungen sorgen können wie die noch wenig bekannten Schweden Måns Månsson und Axel Petersén mit „The Real Estate“ oder der Mexikaner Alonso Ruizpalacios mit „Museo“.

Entebbe und der Anschlag von Utøya
Während José Padilhas Aufarbeitung der militärischen Befreiungsaktion eines entführten Passagierflugzeugs 1976 im ugandischen Entebbe („7 Days in Entebbe“) ausser Konkurrenz läuft, kann sich Erik Poppe mit „Utøya 22. Juli“ Hoffnungen auf einen Preis machen. Mediale Aufmerksamkeit ist der Aufarbeitung des Anschlags des Rechtsextremisten Anders Behring Breivik auf ein Ferienlager auf der titelgebenden norwegischen Insel am 22. Juli 2011 auf jeden Fall gewiss, aber auch die formale Umsetzung des angeblich mit einer 72-minütigen ungeschnittenen Einstellung arbeitenden Films dürfte Interesse wecken.

Neues von Soderbergh, Kim Ki-duk und Co.
Ausser Konkurrenz feiert auch Steven Soderberghs mit einem iPhone gedrehter Horrorthriller „Unsane“ seine Weltpremiere, aber auch in den anderen Sektionen finden sich grosse Namen. Der Koreaner Kim Ki-duk präsentiert im „Panorama“ mit „Human, Space, Time and Human“ ebenso seinen neuen Film wie der Japaner Kiyoshi Kurosawa mit „Yocho“. Und im internationalen Forum des Jungen Films kann man unter anderem Guy Maddins „The Green Fog“, „Grass“ des Koreaners Hong Sangsoo und „Fotbal infinit“ des Rumänen Corneliu Porumboiu entdecken.

Fixpunkt der Berlinale ist neben dem Berlinale Special mit Vorpremieren demnächst startender Filme und dem Kulinarischen Kino aber immer auch die Retrospektive, die heuer – man muss wohl ergänzen: wieder einmal - im Zeichen des Weimarer Kinos steht.
(Walter Gasperi)

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