Vorschau auf die 64. Berlinale. Von Walter Gasperi

Vorschau auf die 64. Berlinale. Von Walter Gasperi

Am 6. Februar wird mit Wes Andersons neuer Komödie „The Grand Budapest Hotel“ die 64. Berlinale eröffnet. Im Wettbewerb um den Goldenen Bären konkurrieren bis 16. Februar 20 Spielfilme, außer Konkurrenz läuft die Langfassung von Lars von Triers erstem Teil von „Nymphomaniac“.

Den Ton im Wettbewerb, bei dem die vom US-Produzenten James Schamus („Brokeback Mountain“) geleitete achtköpfige Jury über die Vergabe der Bären entscheiden wird, geben heuer zumindest zahlenmässig Deutschland und Ostasien an. Eher schwach vertreten sind im Vergleich zu den vergangenen Jahren dagegen die USA.

Amerikaner und Altmeister

Während Wes Andersons „The Grand Budapest Hotel“ im Wettbewerb läuft, wird „The Monument´s Men“, in dem George Clooney von einer allierten Einsatztruppe erzählt, die während des Zweiten Weltkriegs nach Deutschland geschleust wird, um Kunstwerke vor der Zerstörung durch die Nazis zu retten, ausser Konkurrenz gezeigt. Gemeinsam ist Clooneys und Andersons Film, dass beide Produktionen zumindest teilweise in Deutschland gedreht wurden. Als weiterer US-Film wurde nur Richard Linklaters „Boyhood“ in das Bärenrennen eingeladen. In diesem Langzeitprojekt, das mit Unterbrechungen über einen Zeitraum von zwölf Jahren gedreht wurde, erzählt Linklater die Entwicklung eines Jungen vom sechsjährigen Volksschüler bis zum Achtzehnjährigen.
Dünn gesät sind heuer eher die grossen Namen. Neue Filme der Altmeister Alain Resnais, der mit „Aimer, boire et chanter“ nach „Smoking/No Smoking“ und „Coeurs“ seine dritte Adaption eines Stücks von Alan Ayckbourn vorlegt, und dem Japaner Yoji Yamada, der in der Romanverfilmung „The Little House“ von den zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Kleinfamilie während des Zweiten Weltkriegs erzählt, finden sich zwar im Line-Up, doch die aktuellen Grossmeister des internationalen Autorenkinos sucht man vergeblich. Ausnahme ist freilich Lars von Trier, der mit der Langfassung des ersten Teils von „Nymphomaniac“ sicherlich für grosses mediales Aufsehen sorgen wird.

Deutsches Kino und Stammgäste

Auch Deutschland ist abgesehen von Dominik Graf, der in „Geliebte Schwestern“ von einer Dreiecksbeziehung Friedrich Schillers erzählt, nicht mit arrivierten Meistern, sondern mit aufstrebenden Talenten vertreten. Dietrich Brüggemann erzählt in „Kreuzweg“ von einer Jugendlichen, die sich ganz Jesus verschreibt, Feo Aladag blickt nach ihrem vielbeachteten Debüt „Die Fremde“ in „Zwischen Welten“ auf die Beziehung zwischen einem deutschen Soldaten im Afghanistaneinsatz und einem afghanischen Dolmetscher. Edward Berger, der bislang vor allem fürs Fernsehen („Tatort“) arbeitete, erzählt schliesslich in „Jack“ von zwei Kindern, die sich auf die Suche nach ihrer verschwundenen Mutter machen.
Eine weitere Kindergeschichte kommt mit Sudabeh Mortezais „Macondo“ aus Österreich. Die in Teheran und Wien aufgewachsene Regisseurin erzählt in ihrem Spielfilmdebüt von einem tschetschenischen Jungen, der seinen Vater im Krieg verliert und in Österreich mit seiner Mutter und zwei jüngeren Schwestern Asyl bekommt.
Während Mortezai mit Laien arbeitete, legt die Peruanerin Claudia Llosa, die 2009 mit „La teta asustada - Eine Perle Ewigkeit“ den Goldenen Bären gewann, mit “Aloft“ ihre erste internationale und englisch gesprochene Produktion vor.
Wie Llosa aus früheren Berlinale-Teilnahmen bekannt sind auch der Norweger Hans-Peter Moland, der nach der schwarzen Komödie „Ein Mann von Welt“ mit „Kraftidioten“ in den Wettbewerb eingeladen wurde, und der Algerier Rachid Bouchareb, der nach „London River“ den mit Forest Whitaker und Harvey Keitel hochkarätig besetzten „La voie de l´ennemie“ zeigt.

Starke chinesische Präsenz

Während Osteuropa und Afrika im Wettbewerb fehlen, darf China drei Filme ins Bären-Rennen schicken. Ye Lou, der vor etwa einem Jahrzehnt mit „Suzhou River“ bekannt wurde, zeigt „Blind Massage“, Yinan Dia präsentiert „Black Coal, Thin Ice“ und Ha Ning „No Man´s Land“.

Schweizer Filme und Filmgeschichte

Schweizer Filme wurden in den Wettbewerb zwar keine aufgenommen, doch finden sich in den Parallelsektionen immerhin beachtliche sechs Filme aus der Eidgenossenschaft. Im Panorama wird Stefans Haupts Spielfilm „Der Kreis“ präsentiert, der sich der wahren Geschichte von Röbi Rapp und Ernst Ostertag widmet, die sich Ende der 1950er Jahre kennenlernten und 50 Jahre später als erstes homosexuelles Paar in Zürich offiziell ihre Partnerschaft eintragen liessen. Ebenfalls in dieser Sektion läuft Benjamin Heisenbergs („Räuber“) deutsch-schweizerisch-österreichische Koproduktion „Über-Ich und Du“.
Im Internationalen Forum des Jungen Films wird der Dokumentarfilm „Iranien“ des iranischstämmigen Mehran Tamadon gezeigt, während Fabienne Giezendanners kurzer Animationsfilm „ Nain géant“ in den Jugendfilmwettbewerb „Generation Kplus“ eingeladen wurde. Und mit zwei Dokumentarfilmen ist die Schweiz in der Reihe „Perspektive Deutsches Kino“ vertreten: Anna Thommen begleitet in „Neuland“ MigrantInnen während ihrer zweijährigen Schulzeit in einer Basler Integrationsklasse und Nicole Vögele befasst sich im 60-minütigen „Nebel“ mit den Themen Einsamkeit und Natur.
Und schliesslich kann man auch wieder in die Filmgeschichte eintauchen, wenn in der Retrospektive unter dem Titel „The Aesthetics of Shadow. Lighting Styles 1915–1950“ der Blick auf unterschiedliche Beleuchtungsstile in verschiedenen Ländern und Zeiten gerichtet wird.
(Walter Gasperi)

www.berlinale.de

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