Vorschau auf die 60. Berlinale vom 11.2. bis 21.2. 2010. Von Walter Gasperi
Das 60. Jubiläum der Berlinale lädt zum Feiern, doch ein Blick aufs Wettbewerbsprogramm dämpft die Vorfreude etwas: Regiestars der Gegenwart sind dünn vertreten, jüngere Regisseure, die noch beweisen müssen, was sie wirklich drauf haben, dominieren.
Cannes hat die Croisette im Mai, Venedig den Lido im Spätsommer – und Berlin den Potsdamer Platz im kalten, manchmal auch matschigen Februar. Dass Stars und High-Society die sonnigeren Festivals vorziehen, kann kaum verwundern und so versteht sich die Berlinale gleich von vornherein als Arbeitsfestival. – Immerhin sind die Kinos um den Potsdamer Platz eng gruppiert, sodass man nicht zu weite Wege in der Kälte zurücklegen muss.
Die Konkurrenz zumal von Cannes ist unübersehbar und dass das Festival an der Côte d´Azur für Regisseure ungleich attraktiver ist, fällt immer dann besonders deutlich auf, wenn gegen Ende der Berlinale Screen International spekuliert, was man im Mai in Cannes zu sehen bekommen wird. Dem Who is Who der aktuellen Spitzenregisseure, das hier dann präsentiert wird, steht oft das dürftige Süppchen gegenüber, das man bei der Berlinale vorgesetzt bekam.
Auch heuer lassen sich die Starregisseure der Berlinale auf Martin Scorsese und Roman Polanski reduzieren. Der eine bringt vermutlich persönlich und in Begleitung seines Stars Leonardo DiCaprio seinen Thriller "Shutter Island" an die Spree, vom anderen wird, weil er sein Chalet in Gstaad nicht verlassen darf, die Thomas Harris´ Verfilmung „The Ghostwriter“ zu sehen sein.
Daneben gibt es im Wettbewerb Filme von Regisseuren, die vor zehn bis 20 Jahren fulminant begonnen, aber in letzter Zeit doch abgebaut haben wie der Chinese Zhang Yimou („A Woman, A Gun and a Noodle Shop“), der Däne Thomas Vinterberg („Submarino“) oder der Brite Michael Winterbottom („The Killer Inside Me“), sowie Neues von einer jüngeren Generation.
So wird der Chinese Wang Quan´an, der 2007 mit „Tuyas Hochzeit“ den Goldenen Bären gewann, mit seinem neuen Film „Tuan Yuan“ („Apart Together“) das Rennen um die Bären eröffnen, und auch die Berlinale-Siegerin von 2006 Jasmila Zbanic wird nach ihrem starken Debüt „Grbavica“ ihren mit Spannung erwarteten Zweitling „Na Putu“ („On the Path“) präsentieren. Der türkische Stilist Semih Kaplanoglu schließt mit „Bal“ („Honey“) seine mit „Milk“ und „Egg“ begonnene Trilogie ab und auch der Iraner Rafi Pitts kehrt nach „It´s Winter“ mit einem neuen Film nach Berlin zurück („Shekarchi – The Hunter“).
Sind die Filme von Zbanic, Kaplanoglu und Pitts schon deutsche Koproduktionen so ist das Veranstalterland auch noch mit Burhan Quarbanis Debüt „Shahada“ und zwei österreichisch-deutschen Koproduktionen vertreten: Oskar Roehler setzt sich in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ mit der Entstehung des nationalsozialistischen Propagandafilms „Jud Süß“ auseinander, während Benjamin Heisenberg in „Der Räuber“ das Porträt eines Bankräubers zeichnet. Auffallend ist, dass Europa neben den USA den Wettbewerb zwar dominiert, die klassische Filmnation Frankreich aber nur mit „Mammuth“, dem neuen Film von Benoît Delépine und Gustave de Kervern, vertreten ist.
Wem der Wettbewerb freilich zu wenig bietet, der kann in die anderen Sparten flüchten, im „Panorama“ neue Filme von Andreas Kleinert, Ferzan Ozpetek oder Rosa von Praunheim entdecken oder sich im „Forum“ auf Dominik Grafs achtstündiges Mammutwerk „Im Angesicht des Verbrechens“, auf neue Filme der Berliner-Schule-Regisseure Thomas Arslan und Angela Schanelec oder auf Debra Graniks Sundance-Gewinner „Winter´s Bone“ einlassen.
Und wie gewohnt gibt es eine Retrospektive, heuer unter dem Titel „Play It Again!“ mit Filmen aus der 60-jährigen Geschichte der Berlinale, sowie eine große Gala mit der Präsentation einer neu rekonstruierten Fassung von Fritz Langs Stummfilm-Klassiker „Metropolis“.
(Walter Gasperi)
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