Vorschau auf das 63. Filmfestival San Sebastián. Von Geri Krebs
Mit dem Thriller «Regression» von Alejandro Amenábar eröffnet am nächsten Freitag, 18. September, das Filmfestival San Sebastián seine 63. Ausgabe. Es dauert bis zum 26. September und ist bereits die fünfte Ausgabe unter der Leitung von Festivaldirektor José Luis Rebordinos, der das Festival erfolgreich durch die Jahre von Spaniens grosser Krise steuerte und auch dieses Jahr wieder ein äusserst vielfältiges Programm präsentiert.
Der mit Ethan Hawke und Emma Watson – nicht zu verwechseln mit Namensvetterin Emily Watson, die dieses Jahr für ihr Lebenswerk den «Premio Donostia» erhält – hochkarätig besetzte Eröffnungsfilm des spanisch-chilenischen Regisseurs ist eine Rückkehr zu seinen cineastischen Wurzeln. Nach dem Sterbehilfedrama «Mar adentro» (2004), dem bis anhin letzten Film Amenábars in Schweizer Kinos, schliesst der Regisseur mit «Regression» an seine früheren Thriller-Erfolge «Abre los ojos» (1997) und «The Others» (2001) an, mit denen er international bekannt geworden ist. «Regression» läuft eine Woche nach seiner Premiere in San Sebastián in Anwesenheit des Regisseurs auch am Zurich Film Festival (ZFF), mit dem seit 2012 eine enge Zusammenarbeit besteht. Amenábars Film ist in diesem Jahr einer von insgesamt zwölf Filmen aus diversen Sektionen, die anschliessend an ihre Premiere am Festival in der baskischen Surfmetropole – die nächstes Jahr als europäische Kulturhauptstadt fungiert – auch am ZFF zu sehen sein wird.
Im Zentrum des Filmfestivals von San Sebastián, im 17 Titel umfassenden Hauptwettbewerb, überwiegt auch in diesem Jahr mit zehn Filmen das Kino aus Europa und wartet mit bekannten Namen auf. Dazu gehören heuer der Brite Terence Davies («Sunset Song»), die französischen Gebrüder Arnaud und Jean-Marie Larrieu («21 nuits avec Pattie») und der Belgier Joachim Lafosse («Les chevaliers blancs»). Das Gastgeberland Spanien ist gleich mit vier Beiträgen im Wettbewerb vertreten. Als prominentester Name ragt hier der Katalane Cesc Gay heraus; seiner Komödie «Truman» dürfte allein durch die Hauptdarsteller Ricardo Darín aus Argentinien und Javier Cámara aus Spanien viel Aufmerksamkeit gewiss sein. Weiter gibt es unter den spanischen Produktionen im Wettbewerb auch dieses Jahr mit «Amama», dem Zweitling von Asier Altuna Iza, wieder einen Film, der im Baskenland gedreht wurde und in dem ausschliesslich Baskisch gesprochen wird. Letztes Jahr hatte es mit dem Drama «Loreak» der beiden jungen baskischen Regisseure José María Goneaga und Jon Garaño zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals ein baskischer Film in den Hauptwettbewerb geschafft.
Als Neuheit im diesjährigen Wettbewerb ist erstmals ein Animationsfilm – «The Boy and the Beast» das Japaners Mamoru Hosoda – zu sehen, einer von zwei asiatischen Filmen im Wettbewerb. Der andere ist «Back to the North» des Chinesen Liu Hao, ein Drama, das sich mit den Folgen der lange Zeit in China verordneten Ein-Kind-Politik befasst. Ostasien ist dieses Jahr in San Sebastián auch in anderer Hinsicht gut vertreten, steht doch eine der beiden Retrospektiven unter dem Titel «Neues japanisches Independent Kino 2000–2015»; sie umfasst nicht weniger als 35 Titel. Die andere, «klassische» Retrospektive ist den beiden Hollywood-Regisseuren Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack gewidmet, die als Schöpfer des ersten «King-Kong»-Filmes von 1932 bekannt wurden. Aus Lateinamerika, das in San Sebastián in den diversen Sektionen traditionsgemäss eine wichtige Rolle spielt, starten im Wettbewerb zwei Filme: «Eva no duerme» von Pablo Agüero aus Argentinien, ein historisches Drama um die Wirrungen im Zusammenhang mit der Leiche von Evita Perón mit Mexikos Superstar Gaël García Bernal in der Hauptrolle, sowie «El apóstata» des Uruguayers Federico Veiroj, dessen Erstling «La vida util» 2010 in San San Sebastián und am ZFF zu sehen war. Während die Komödie «El apóstata», ebenfalls im Programm des ZFF zu sehen, ausschliesslich in Spanien spielt, ist «El rey de La Habana» des Spaniers Agustí Villaronga in Lateinamerika angesiedelt; es ist die Verfilmung des gleichnamigen Romans des kubanischen Bestsellerautors Pedro Juan Gutiérrez.
Im Gegensatz zu den meisten früheren Festivalausgaben fehlt das deutschsprachige Filmschaffen 2015 im Hauptwettbewerb; es ist einzig im 14 Filme umfassenden Parallelwettbewerb der «Nuevos Directores» mit «Einer von uns» des jungen Österreichers Stephan Richter vertreten – ein Film, der ebenfalls am ZFF gezeigt wird. Die Schweiz, 2014 bei den «Nuevos Directores» mit Simon Jaquemets «Chrieg» präsent, fristet dieses Jahr eine Randexistenz: in der Nebensektion «Savage Cinema» (Extremsport- und Survival-dokumentationen) mit «Degrees North», einem Bergsteigerfilm von Guido Perrini, sowie bei den Filmschulfilmen mit dem Kurzfilm «L'offre» der Lausannerin Moïra Pitteloud. Am prominentesten ist die Schweiz allerdings in einer der Jurys vertreten: Francine Brücher, die langjährige ehemalige Chefin von Swiss Films, ist Mitglied der fünfköpfigen Jury der «Nuevos Directores».
(Geri Krebs)
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