Von Blockbustern und der Kraft der Poesie – Bericht über das 25. Festival International de Films de Fribourg von Geri Krebs

Von Blockbustern und der Kraft der Poesie – Bericht über das 25. Festival International de Films de Fribourg von Geri Krebs

Ein Hauptpreis für ein Werk, das tatsächlich alles überragte, ein neuer Publikumsrekord: Edourd Waintrop hinterlässt seinem Nachfolger ein Festival, dass sich in jeder Hinsicht sehen lassen kann.

Mit der Projektion des Abschlussfilms „Tropa de elite 2“ des Brasilianers Jose Padilha und einer Standing Ovation für den abtretenden Festivaldirektor Edouard Waintrop ging am Samstagabend im längst ausverkauften alten Fribourger Kino Rex die 25. Ausgabe des Festival International de Films de Fribourg (FIFF) zu Ende. In verschiedenen Programmsektionen waren heuer mehr Filme platziert, die in ihren Ursprungsländern zu veritablen Blockbuster avanciert waren. Dazu gehörte der erwähnte, mit grossem Applaus bedachte „Tropa de elite 2“ - ein Werk um Korruption, Willkür und Gewalt in den Reihen der brasilianischen Polizei, das, mehr noch als sein Vorgänger aus dem Jahr 2008 in seinem Heimatland alle Zuschauerrekorde brach. Ähnliches gilt auch für zwei Filme des Wettbewerbs: Sowohl das etwas bedächtige Drama „Aftershock“ des Chinesen Feng Xiaogang, das von den Folgen eines Erdbebens von 1976 erzählt, wie auch die sanft blasphemische Komödie „Miss Tacuarembó“ des Uruguayers Martín Sastre spielten in den Kinosälen ihrer Heimatländer letztes Jahr Rekordergebnisse ein.

Hauptpreis für Lee Chang-dongs „Poetry“

Bis zu einem gewissen Grad gehört aber auch der Sieger des FIFF- Hauptpreises „Regard d’or“ - sowie des Preises der internationalen Filmkritikervereinigung, Fipresci - „Poetry“, des südkoreanischen Regisseurs Lee Chang-dong dazu. „Poetry“ ist ein so einfacher wie vielfältig schillernder Film von betörender Schönheit und überwältigender emotionaler Ausdruckskraft. Es geht in dem 140minütigen Werk um eine Frau in den Sechzigern, die nach Schwierigkeiten mit ihrem bei ihr lebenden Enkel und einer beginnenden Alzheimer-Erkrankung an ihrem absehbaren Lebensende noch einen Poesie-Kurs besucht und schliesslich den Freitod wählt. Der 1954 geborenen Lee Chang-dong ist in seiner Heimat einer der erfolgreichsten Filmregisseure überhaupt, „Poetry“ ist bereits sein fünfter langer Spielfilm. Lee Chang-dong war, bevor er 1996 seinen ersten langen Spielfilm „Green Fish“ realisierte, bereits ein erfolgreicher Schriftsteller und Drehbuchautor. Zwischen 2003 und 2005 war er ausserdem südkoreanischer Kulturminister. Die meisten seiner Filme liefen am Festival von Cannes, „Poetry“ gewann dort 2010 den Preis für das beste Drehbuch – dennoch war bis heute noch nie ein Film Chang-dongs in Schweizer Kinos zu sehen, und es ist ein Verdienst von Edouard Waintrop, dass er den Regisseur bereits 2008 nach Fribourg eingeladen und mit einer Retrospektive dem Schweizer Publikum vorgestellt hatte.


Die Feststellung ist keine Übertreibung, dass schon seit Jahren am FIFF kein „Regard d’Or“ mehr so zwingend und so gerechtfertigt war wie in diesem Jahr. Man muss bis ins Jahr 2001 zurückgehen, als mit dem grandiosen Familiendrama „Yi Yi“ des Taiwanesen Edward Yang letztmals ein Film den Hauptpreis des Festivals erhielt, der sich in ebensolchen künstlerischen Höhen bewegte wie „Poetry“.

Grosses Publikumsinteresse

Wenn man über das Fribourger Filmfestival berichtet, bleibt die nach wie vor geringe Bekanntheit bei Publikum und Verleihern der Deutschschweiz zu erwähnen. Dabei darf sich, was die Publikumszahlen betrifft, das FIFF durchaus mit dem Zurich Film Festival messen. Während letzteres mit elf Tagen Festivaldauer an seiner letztjährigen Ausgabe 39 500 Eintritte zählte, hatte das diesjährige FIFF während seiner acht Festivaltage mit 32 000 Eintritten einen neuen Zuschauerrekord und damit einen Publikumszulauf, der durchaus mit jenem am Zurich Film Festival vergleichbar ist. Bezüglich der Verleiher sei daran erinnert, dass letztes Jahr der Gewinnerfilm des FIFF, „The Other Bank“ von George Ovashvili aus Georgien, sowie der Abschlussfilm „El secreto de sus ojos“ von Juan José Campanella aus Argentinien einige Monate nach Abschluss des Festivals von zwei Deutschweizer Verleihern neu erworben wurden. Während „The Other Bank“ in diesen Tagen in den Kinos angelaufen ist, begann der Siegeszug von „El secreto de sus ojos“ im Spätsommer 2010 in den Schweizer Kinos, der Film avancierte in der Schweiz mit mittlerweile 93 000 Eintritten zu einem der erfolgreichsten Filme jenseits des europäischen oder US-amerikanischen Mainstreams der letzten Jahre. Es bleibt zu hoffen, dass „Poetry“ einen ähnlichen Weg geht und ein Verleiher auf dieses Werk aufmerksam wird und es in die Kinos bringt.
(Geri Krebs)

Die wichtigsten Preise

Der Hauptpreis für ein Meisterwerk aus Südkorea, der zweite Preis für einen sympathisch-skurrilen Musikfilm aus Guatemala („Las marimbas del infierno“), der Spezialpreis der Jury für eine überraschend leichte Komödie aus dem Iran („Don’t disturb“), und der Publikumspreis an ein bewegendes Kinderdrama aus Kolumbien („Los colores de la montaña“): die wichtigsten Preise des Festivals Fribourg gingen in diesem Jahr an Filme, die es verdient hatten.
(Geri Krebs)

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