Schwergewichte, wohin man blickt – Vorschau auf das 64. Festival von Cannes. Von Hans Jürg Zinsli

Schwergewichte, wohin man blickt – Vorschau auf das 64. Festival von Cannes. Von Hans Jürg Zinsli

Das Festival von Cannes war zuletzt auch in schwächeren Jahrgängen eine „sichere Bank“. Von 2008 bis 2010 litt der Anlass unter der Wirtschaftskrise und dem US-Autorenstreik. Trotzdem vibrierte die Croisette vor Intensität, sorgten Stars und Newcomer für Glanz, reichten sich die besten Autorenfilmer der Welt die Klinke in die Hand – und manchmal rollten auch Kuriositäten wie ein „gefrässiger“ Autoreifen über den Roten Teppich.

Das 64. Filmfestival von Cannes (11. bis 22. Mai) verspricht nun ein Festmahl von selten gesehener Opulenz zu werden. An der Côte d’Azur wird wieder geprotzt, dass sich die Balken biegen. Als grösstes Blockbuster-Schwergewicht wird der Exotiktanker „Pirates of the Caribbean 4“ an der Croisette anlegen, mit Superstar Johnny Depp an Bord. Der schräge Freibeuter wäre allerdings gut beraten, sein Fläschchen Rum auf dem Schiff zu verstauen, da sich der für seine alkoholischen und antisemitischen Ausbrüche berüchtigte Mel Gibson ebenfalls in Cannes blicken lässt. Gibson spielt in Jodie Fosters „The Beaver“ (ebenfalls ausser Konkurrenz) einen frisch geschiedenen Mann, der mit einer Tierpuppe spricht. Cannes könnte die letzte Chance für den Australier sein, sich vor versammelter Weltpresse zu rehabilitieren.

Politisch Brisantes und illustre Namen

Politische Brisanz verspricht das jüngste Werk des zu jahrelanger Haft verurteilten iranischen Regisseurs Jafar Panahi. „In Film Nist“ („Dies ist kein Film“) dreht sich um Panahis Berufungsverfahren. Der unter teilweise geheim entstandene und den Organisatoren erst kürzlich zugespielte Film läuft in einer Spezialvorstellung.

Den Abschluss des Festivals bildet Christoph Honorés Musical „Les Bien-Aimés“ mit Catherine Deneuve, Ludivine Saigner und Milos Forman.

Auch der Wettbewerb ist mit illustren Namen besetzt: Lars von Trier fährt mit „Melancholia“ ein Weltuntergangsdrama auf, in dem sich Stars wie Kirsten Dunst oder Kiefer Sutherland tummeln. Pedro Almodovar erneuert in „La piel que habito“ die einst so fruchtbare Zusammenarbeit mit Antonio Banderas. Und nach fünfjähriger Schaffenspause meldet sich auch Aki Kaurismäki mit „Le Havre“ im Kampf um die Goldene Palme zurück. Weitere Cannes-Habitués wie der Italiener Nanni Moretti („Habemus papam“), die belgischen Gebrüder Dardenne („Le gamin au vélo“) oder der Türke Nuri Bilge Ceylan („Once Upon a Time in Anatolia“) komplettieren das schwergewichtige Autorenfilmer-Feld.

Als schillerndste Figur im Wettbewerb könnte sich jedoch Sean Penn profilieren – vorausgesetzt, der frisch mit Scarlett Johansson liierte US-Schauspieler wird nach Cannes kommen. Penn spielt gleich in zwei Wettbewerbsfilmen einen von übermächtigen Vaterfiguren geprägten Leidensträger: In Paolo Sorrentinos englischsprachigem Debüt „This Must Be the Place“ verkörpert er einen alternden Rockstar, in Terrence Malicks endlich fertig gestelltem „Tree of Life“ steht er neben Co-Star Brad Pitt stellvertretend für Rückblenden bis zum Ursprung der Welt.

Zurück in die Siebzigerjahre

Nicht ganz soweit zurück – bis in die Siebzigerjahre – reicht die Ehrerbietungspalette des Festivals: Faye Dunaway ziert das elegante Festivalplakat, Robert De Niro amtet als Jurypräsident, Stanley Kubricks Kultfilm „A Clockwork Orange“ (1971) erfährt eine restaurierte Wiederaufführung und Jean-Paul Belmondo erhält eine Hommage.


Eröffnet wird das Festival mit Woody Allens „Midnight in Paris“, in dem Frankreichs Präsidentengattin Carla Bruni mitspielt. Ob sich auch Nicolas Sarkozy in Cannes zeigen wird? Dies dürfte nicht zuletzt davon abhängen, wie das französische Staatsoberhaupt in „La Conquête“ wegkommt, einem Dokumentarfilm, der Sarkozys Weg zur Macht nachzeichnet.
(Hans Jürg Zinsli)

www.festival-cannes.fr

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