Das 69. Filmfestival von Cannes. Vorschau von Doris Senn
Am Mittwoch gehts los – mit Woody Allen und «Café Society». Im Wettbewerb? 21 Titel und ein Who’s who vom Altmeister bis zum Jungtalent: von Pedro Almodóvar, Jim Jarmusch und Ken Loach über Andrea Arnold bis hin zu Xavier Dolan.
Auftakt mit «Café Society»
Der Starregisseur Woody Allen setzt den glamourösen Startschuss zum diesjährigen Filmfestival von Cannes. «Café Society» – eine Bezeichnung für die Jeunesse dorée, die sich Anfang des 20. Jahrhunderts in metropolitanen Cafés tummelte – ist die Coming-of-Age-Story eines Youngsters, Bobby (Jesse Eisenberg), der in Hollywood sein Glück sucht. Woody Allen, seit kurzem 80, der nach eigenen Aussagen bislang kein einziges E-Mail geschrieben hat und keinen Computer bedienen kann, drehte mit «Café Society» seinen allerersten Digitalfilm. Dafür engagierte er Vittorio Storaro, der mit Bernardo Bertolucci, Francis Ford Coppola («Apocalypse Now») oder Waren Beatty drehte. Der 30-Millionen-Dollar-Streifen gehört in die Reihe von Allens jüngsten Romantic Comedies, die er in einem geradezu frenetischen Rhythmus auf die Leinwand bringt.
Die Rumänen sind zurück
Vor rund zehn Jahren war Cannes beim Aufbruch des neuen rumänischen Filmschaffens ganz vorne mit dabei. Dieses Jahr nun ist Rumänien gleich dreifach zurück: mit Cristian Mungiu, der 2007 als Erster seines Landes die Goldene Palme für das Abtreibungsdrama «4, 3, 2» erhielt und nun «Bacalaureat» präsentiert, eine Geschichte um einen ambitiösen Vater und seine Tochter. Cristi Puiu machte 2005 mit seinem «Moartea domnului Lăzărescu» in Cannes Furore und gibt nun seinen Einstand im Wettbewerb mit «Sieranevada» – ein Familiendrama, ausgehend von einer Beerdigung, das in Bukarest angesiedelt ist. Schliesslich zeigt Bogdan Mirică seinen Debütfilm «Caini» («Dogs») in der offiziellen Nebensektion «Un certain regard».
Grand Old Men of Filmmaking
Einmal mehr ist Cannes aber wieder der Treffpunkt für die Altmeister der Garde: So erzählen die belgischen Dardenne-Brüder und zweimaligen Palme-Gewinner in «La fille inconnue» mit dem französischen Jungstar Adèle Haenel in der Hauptrolle von einer Ärztin, die eine hilfesuchende junge Frau abweist, die in der Folge verstirbt. Mit dem Mutter-Tochter-Drama «Julieta» taucht Pedro Almodóvar erneut in ein weibliches Universum ein – mit einer Story aus viel Liebe, Schmerz und Tränen. Jim Jarmusch – ein (wenn auch seltener) Habitué in Cannes seit «Stranger Than Paradise» – wartet mit «Paterson» auf, der von einem dichtenden Busfahrer handelt. Ken Loach – 2006 mit der Goldenen Palme für «The Wind that Shakes the Barley» ausgezeichnet – widmet sich in «I, Daniel Blake» einmal mehr den Lebensumständen derjenigen, die ganz unten in der Gesellschaftsskala um ihr Überleben kämpfen. Und auch Paul Verhoeven («Basic Instinct») meldet sich nach zehn langen Jahren zurück und präsentiert «Elle» – einen Thriller, in dem Isabelle Huppert als grosse Rächerin agiert. Bruno Dumont schliesslich, der 2015 viel Staub aufwirbelte mit seiner kontroversen Mini-Krimiserie «P’tit Quinquin», ist nun im Wettbewerb mit «Ma Loute», einer Art Mystery-Film mit Fabrice Luchini, Juliette Binoche und Valeria Bruni Tedeschi – nebst einer Palette skurriler Laiendarsteller.
Die Frauen und der Jungspund
Es ist kaum anzunehmen, dass es Cannes noch mal darauf anlegt, ohne Frauen in den Wettbewerb zu ziehen. So sind immerhin drei Regisseurinnen in der renommierten Auswahl vertreten: die Britin Andrea Arnold, die schon zweimal in Cannes für die Goldene Palme nominiert war (für «Red Road» und «Fish Tank») und jetzt nach der Verfilmung des Brontë-Romans «Wuthering Heights» mit «American Honey» in den Wettbewerb zurückkehrt. Gemeinsam mit dem französischen Schauspielstar Nicole Garcia, die ein Liebesdrama aus dem 2. Weltkrieg verfilmt: «Mal de pierres» mit Marion Cotillard («La vie en rose»), sowie die deutsche Filmemacherin Maren Ade, die mit «Toni Erdmann» zum ersten Mal nach Cannes reist. Der kanadische Jungspund Xavier Dolan – der erst grade für viel Aufsehen sorgte mit seinem Musikvideo für Adeles «Hello» – kehrt seit 2009 («J’ai tué ma mère») fast im Jahresrhythmus nach Cannes zurück. Nun mit «Juste la fin du monde» und einem Staraufgebot: Marion Cotillard, Léa Seydoux und Gaspard Ulliel.
Die Schweiz – animiert
Die Schweiz figuriert in Cannes eher am Rand – aber immerhin: In der Reihe «Quinzaine des Réalisateurs» zeigt der Walliser Claude Barras seinen Kinderanimationsfilm «My Life as a Courgette», und in der «Sélection Cinéfondation» ist der Kurztrickfilm «Whatever the Weather» von Remo Scherrer zu sehen.
Das ist die Jury
Präsidiert wird die offizielle Wettbewerbsjury von «Mad Max»-Regisseur George Miller. Er entscheidet über die Vergabe der Goldenen Palme zusammen mit den Filmschaffenden Arnaud Desplechin, Valeria Golino und dem letztjährig prämierten László Nemes («Sau fia») sowie den Schauspieler/innen Kirsten Dunst, Mads Mikkelsen, Vanessa Paradis, Donald Sutherland und der iranischen Produzentin Katayoon Shahabi.
Gleich drei Jurys von Nebensektionen werden zudem von Frauen präsidiert: so die Schweizer Schauspielerin Marthe Keller die Sektion «Un certain regard», Naomi Kawase die Kurzfilmjury und Catherine Corsini («La belle saison») die Jury der Camera d’or. Das Festival von Cannes dauert vom 11. bis 22. Mai.
(Doris Senn)
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