76. Locarno Film Festival: Goldener Leopard für "Critical Zone – Mantegheye bohrani" – Ein Resümee von Walter Gasperi
Vielfältig und stärker als in früheren Jahren war der Wettbewerb des heurigen Locarno Film Festivals. Etwas überraschend ging der Goldene Leopard an Ali Ahmadzadehs iranischen Untergrundfilm "Critical Zone – Mantegheye bohrani". Weniger überzeugend als der Wettbewerb war das Programm der Piazza Grande.
In der Verleihung des Goldenen Leoparden an den ohne Genehmigung des iranischen Regimes gedrehten "Critical Zone – Mantegheye Bohrani" kann man auch ein politisches Statement für die Freiheit der Kunst und gegen Repression lesen. Im Gegensatz zu dieser doch überraschenden Entscheidung wurden die weiteren Preise unter den erwarteten Favoriten aufgeteilt.
So vergab die von Lambert Wilson geleitete Jury den Spezialpreis der Jury an Radu Judes ebenso wilden wie furiosen Bukarest-Film "Do Not Expect Too Much of the End of the World", während der bestechend schöne und wunderbar geschlossene "Stepne" der Ukrainerin Maryna Vroda mit dem Regiepreis und zudem mit dem Preis der Filmkritiker (FIPRESCI) ausgezeichnet wurde.
Von der Aufführung von Sofia Exarchous "Animal" am ersten Festivaltag an empfahl sich auch Dimitra Vlagopoulou für den Preis für die beste Schauspielerin. Deren Auszeichnung überzeugt ebenso wie die Ehrung der Niederländerin Renée Soutendijk für ihre Leistung in Ena Sendijarević´ "Sweet Dreams". Zu erwarten war angesichts der Flüchtlingsthematik auch ein Preis für Sylvain Georges "Nuit obscure – Au revoir ici, n´importe où", de reine Lobende Erwähnung erhielt.
Im Parallel-Wettbewerb "Cineasti del presente" ging der Hauptpreis zwar an "Hao Jiu Bu Jian – Dreaming & Dying" des Singapurers Nelson Yeo, doch auch das deutsche Kino ging hier mit dem Regiepreis für Katharina Huber für "Ein schöner Ort" und dem Darstellerpreis für Clara Schwinning in demselben Film sowie einem Darstellerpreis für Isold halldórudóttir und Stavros Zafeiris für ihre Leistungen in Claudia Rorarius´ starkem "Touched" nicht leer aus.
Die Ökumenische Jury wiederum zeichnete Simone Bozzellis "Patagonia" aus und vergab eine Lobende Erwähnung an Radu Judes "Do Not Expect Too Much of the End of the World", während der European Cinema Label Award "Yannick" zugesprochen wurde.
Insgesamt überzeugte der 17 Filme umfassende Hauptwettbewerb durch seine Vielfalt. Mangelware blieben sperrige Filme, wie sie der frühe künstlerische Leiter Carlo Chatrian forcierte. Renommierte Namen fanden sich mit Radu Jude, Lav Diaz und Quentin Dupieux neben Newcomern. Klassisches Arthouse-Kino dominierte, daneben gab es aber auch Dupieuxs sehr unterhaltsamen "Yannick". Auch ein Dokumentarfilm fehlte im Wettbewerb mit "Nuit obscure – Au revoir ici, n´importe où" nicht und mit Eduardo Williams "El auge del humano" war auch ein Experimentalfilm vertreten, in dem 120 Minuten lang zusammenhanglos spektakuläre Plansequenzen aneinandergereiht werden.
Mit "Nähtamatu võitlus - The invisible Fight" des Esten Rainer Sarnet gab es zum Abschluss des Wettbewerbs sogar noch eine durchgeknallte Kung Fu-Komödie, in der sich in der Sowjetunion der 1970er Jahre ein Hardrock-Fan um die Aufnahme in ein orthodoxes Kloster bemüht. Witzige Momente fehlen dabei zwar nicht, aber über fast zwei Stunden ermüdet diese Blödelei doch.
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Preise
INTERNATIONALER WETTBEWERB | |
Goldener Leopard |
MANTAGHEYE BOHRANI (CRITICAL ZONE) von Ali Ahmadzadeh, Iran/Deutschland |
Spezialpreis der Jury |
NU AȘTEPTA PREA MULT DE LA SFÂRȘITUL LUMII (DO NOT EXPECT TOO MUCH FROM THE END OF THE WORLD) von Radu Jude, Rumänien/Luxemburg/Frankreich/Kroatien |
Preis für die beste Regie |
Maryna Vroda für STEPNE, Ukraine/Deutschland/Polen/Slowakei |
Beste Darstellerin |
Dimitra Vlagopoulou für ANIMAL von Sofia Exarchou, Griechenland/Oesterreich/Rumänien/Zypern/Bulgarien |
Bester Darsteller |
Renée Soutendijk für SWEET DREAMS von Ena Sendijarević, Niederlande/Schweden/Indonesien/Reunion |
Besondere Erwähnung |
NUIT OBSCURE - AU REVOIR ICI, N'IMPORTE OÙ von Sylvain George, Frankreich/Schweiz |
WETTBEWERB "CINEASTI DEL PRESENTE" | |
Goldener Leopard |
HAO JIU BU JIAN (DREAMING & DYING) von Nelson Yeo, Singapur/Indonesien |
Preis für die beste Nachwuchsregie |
Katharina Huber für EIN SCHÖNER ORT Deutschland |
Spezialpreis der Jury |
CAMPING DU LAC von Éléonore Saintagnan, Belgien/Frankreich |
Beste Darstellerin |
Clara Schwinning for EIN SCHÖNER ORT von Katharina Huber, Deutschland |
Bester Darsteller |
Isold Halldórudóttir und Stavros Zafeiris für TOUCHED von Claudia Rorarius, Deutschland |
Besondere Erwähnungen |
EKSKURZIJA (EXCURSION) von Una Gunjak, Bosnien-Herzegowina/Kroatien/Serbien/Frankreich/Norwegen/Katar |
NEGU HURBILAK von Colectivo Negu, Spanien |
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ERSTLINGSFILME | |
Preis für den besten Debütspielfilm |
HAO JIU BU JIAN (DREAMING & DYING) von Nelson Yeo, Singapur/Indonesien |
KURZFILMWETTBEWERB "PARDI DI DOMANI" | |
Internationaler Wettbewerb | |
Goldener Leopard für den besten Autorenkurzfilm |
THE PASSING von Ivete Lucas, Patrick Bresnan, USA |
Besondere Erwähnung |
BEEN THERE von Corina Schwingruber Ilić, Schweiz |
Goldener Leopard für den besten internationalen Kurzfilm |
EN UNDERSØGELSE AF EMPATI (A STUDY OF EMPATHY) von Hilke Rönnfeldt, Dänemark/Deutschland |
Silberner Leopard |
DU BIST SO WUNDERBAR von Leandro Goddinho, Paulo Menezes, Deutschland/Brasilien |
Beste Regie |
Eric K. Boulianne für FAIRE UN ENFANT Kanada |
Preis der Medien Patent Verwaltung AG |
EGAHBAN (THE GUARD) von Amirhossein Shojaei, Iran |
Besondere Erwähnung |
THE LOVERS von Carolina Sandvik, Schweden |
Nationaler Wettbewerb | |
Goldener Leopard |
LETZTE NACHT von Lea Bloch, Schweiz |
Silberner Leopard |
NIGHT SHIFT von Kayije Kagame, Hugo Radi, Schweiz |
Preis für das beste Schweizer Nachwuchstalent |
LETZTE NACHT von Lea Bloch, Schweiz |
Piazza Grande | |
Publikumspreis |
THE OLD OAK von Ken Loach, Grossbritannien |
Variety-Preis |
ČUVARI FORMULE (GUARDIANS OF THE FORMULA) von Dragan Bjelogrlić, Serbien/Slowenien/Montenegro/ Nordmazedonien |
PARDO VERDE | |
Pardo Verde WWF |
ČUVARI FORMULE (GUARDIANS OF THE FORMULA) von Dragan Bjelogrlić, Serbien/Slowenien/Montenegro/ Nordmazedonien |
Lobende Erwähnung | PROCIDA, Procida Film Atelier, Italien |
Ex-aequo |
VALLEY PRIDE von Lukas Marxt, Oesterreich/Deutschland |
UNABHÄNGIGE JURIES | |
Preis der Ökumenischen Jury |
PATAGONIA von Simone Bozzelli, Italien |
Besondere Erwähnung |
NU AȘTEPTA PREA MULT DE LA SFÂRȘITUL LUMII (DO NOT EXPECT TOO MUCH FROM THE END OF THE WORLD) von Radu Jude, Rumänien/Luxemburg/Frankreich/Kroatien |
FIPRESCI-Preis |
STEPNE von Maryna Vroda, Ukraine/Deutschland/Polen/Slowakei |
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