65. Filmfestival San Sebastián. Von Geri Krebs
Mit „Submergence“, dem neuesten Film von Wim Wenders, eröffnete am Freitagabend, 22. September, das 65. San Sebastián International. Der romantische Thriller um eine Tiefseeforscherin und einen Agenten des britischen Geheimdienstes, mit Alicia Vikander und James Mc Avoy in den Hauptrollen, ist einer von insgesamt 18 Filmen im internationalen Wettbewerb um die Concha de Oro (Goldene Muschel). Die siebenköpfige internationale Jury, die diesen und alle anderen Gewinner des Hauptwettbewerbs bestimmt, wird dieses Jahr von John Malkovich präsidiert. Zu den sieben Jurymitgliedern gehören neben Malkovich unter anderem die Schauspielerinnen Dolores Fonzi und Emma Suarez, sowie - der als Drehbuchautor aller Filme von Alex de la Iglesia bekannte - Jorge Guerricaechevarria und der britische Regisseur William Oldroyd („Lady Macbeth“).
Mit 18 Filmen umfasst der Hauptwettbewerb dieser 65. Ausgabe mehr Titel als in früheren Jahren, und mit dem Regieduo Olivier Nacache / Eric Toledano („Intouchables“) und ihrem neuen Film „Le sens de la fête – c’est la vie“ und mit James Franco und seiner an „Citizen Kane“ angelehnten Komödie „The Disaster Artist“ ist er – auch noch neben Wim Wenders - mit äusserst prominenten Namen besetzt. Ausserdem ist das deutschprachige Kino durch Barbara Alberts Kostümfilm „Licht“ und das Weltkriegsdrama „Der Hauptmann“ von Robert Schwentke (mit dem Schweizer Max Hubacher in der Hauptrolle) gleich zweifach vertreten. Darüberhinaus ist das Festival von San Sebastián stets ein wichtiges Schaufenster des Filmschaffens aus dem spanischsprachigen Raum. So gibt es dieses Jahr im Wettbewerb gleich zwei Filme aus Argentinien, „Alanis“ von Anahi Berneri und „Una especie de familia“ von Diego Lerman. Beide Filmschaffende sind in San Sebastián ebenso alte Bekannte wie drei Regisseure aus Spanien, die mit ihren neuen Werken im Wettbewerb vertreten sind: Während Manuel Martin Cuenca 2013 hier mit der lakonischen Menschenfresserfarce „Canibal“ Furore gemacht hatte und nun mit der schwarzhumorigen Tragikomödie „El autor“ vertreten ist, hatte 2014 das baskische Regieduo Aitor Arregi / Jon Garrano mit dem poetischen – ausschliesslich baskisch gesprochenen - Familiendrama „Loreak“ (Flowers) das Publikum bezaubert und ist nun mit dem erneut im Baskenland spielenden Nachkriegsdrama “Handia“ vertreten. Als dritter Film eines spanischen Regisseurs läuft im Wettbewerb schliesslich die spanisch-amerikanische Koproduktion „Life and nothing more“ von Antonio Mendez Esparza.
Beim 16 Titel umfassenden Parallelwettbewerb der „Nuevos Directores“ ist dieses Jahr erstmals seit 2014 (damals debüttierte hier Simon Jacquemet mit „Chrieg“) auch wieder ein Erstlingsfilm aus der Schweiz vertreten, „Blue My Mind“ von Lisa Brühlmann. Der Film, den eigentlich auch das Locarno Festival gerne in sein Programm aufgenommen hätte, ist eine märchenhafte Coming-Of-Age-Geschichte um zwei Teenager, verkörpert von den aus „Amateur Teens“ bekannten jungen Schauspielerinnen Luna Wedler und Zoe Pastelle Holthuizen. Die 1981 in Zürich geborene Regisseurin Lisa Brühlmann war während längerer Zeit selber als Schauspielerin tätig gewesen, bevor sie ins Regiefach wechselte und letztes Jahr am Zurich Film Festival als eine der Autorinnen des Episodenfilms „Peripherie“ auf sich aufmerksam gemacht hatte.
Weil das San Sebastián Film Festival das 65. ist und es damit einen „halbrunden“ Geburtstag feiert, geht dieses Jahr der „Premio Donostia“ gleich an drei – statt ansonsten nur: zwei - Persönlichkeiten aus der Filmwelt: Agnes Varda, Monica Bellucci und Ricardo Darín. Der seit 1986 existierende Preis wird jedes Jahr für ein Lebenswerk vergeben, und mit der 89 jährigen gebürtigen Belgierin Agnès Varda ist es in der Geschichte des Premieo Donostia erst das dritte Mal, dass der Preis an eine Persönlichkeit aus dem Regiefach vergeben wird – Francis Ford Coppola und Oliver Stone waren die beiden andern, die diesen Preis erhielten, alle anderen bisherigen Preisträger und Preisträgerinnen stammten aus dem Schauspielfach, darunter solche legendäre Figuren wie Bette Davis, Vittorio Gassmann oder Paco Rabal. Eine Premiere stellt auch der Preis an Ricardo Darin dar, denn obwohl der argentinische Schauspielstar ein häufiger Gast in San Sebastian ist, hat bis anhin noch nie eine Persönlichkeit aus Lateinamerika den Premio Donostia bekommen.
Die Retrospektive ist dieses Jahr dem Briten Joseph Losey (1909-1984) gewidmet, sie feiert damit einen der grössten europäischen Autorenfilmer der 1960er und 1970er Jahre, dessen Filme, völlig zu Unrecht, etwas in Vergessenheit geraten sind. San Sebastián bietet somit die Möglichkeit, einige seiner Meisterwerke wie etwa „The Servant“, „King and Country“ oder „Roads to the South“ – wieder – zu entdecken.
(Geri Krebs)
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