5. Arab Film Festival Zurich: Schlussbericht und Preise. Von Doris Senn
Die 5. Edition des 10-tägigen Arab Film Festival Zurich (AFFZ) ging gestern mit der Preisverleihung zu Ende und wird von den Macher/innnen als Erfolg gewertet: mit vielen ausverkauften Vorstellungen, Gesprächen und Q&As, die teils live, teils via Video stattfanden. Erstmals wurden Auszeichnungen für den «Besten Film» und die «Beste Regie» verliehen.
Die Preisträger des 5. Arab Film Festival Zurich
Den Preis für die beste Regie unter den 15 Wettbewerbsfilmen erhielt Ahmad Ghossein für «All This Victory», das Langfilmdebüt des in Beirut geborenen Filmemachers, der bereits in der Settimana internazionale della Critica 2019 in Venedig drei Preise einheimste. Die libanesisch-französische Koproduktion ist ein packendes Huis clos, das eine kleine Zufallsgemeinschaft zeigt, die sich im libanesischen Süden in einem Haus verschanzt, während sich im oberen Stock – der Film spielt während des Libanonkriegs 2006 – ein Trüppchen israelischer Soldaten einnistet. «Meisterhaft inszeniert» befand die dreiköpfige Frauenjury, mit einer «geschickt montierten Tonspur, die die Gräuel des Krieges einfängt». Und einer nicht minder bravourösen Kamera, bliebe zu ergänzen, welche die Not und Angst der in den kargen Räumen Eingeschlossenen fühl- und erlebbar macht. Der Aussenraum scheint während des Films immer weiter wegzurücken – paradiesische Freiheit versprechend zum einen, bedrohlich und todbringend zum andern, rücken die Kriegshandlungen doch immer näher. Seine Botschaft verpackt der Film in eine bestrickende Eröffnungsszene, als vor gebanntem Publikum ein Magier in einem Schulhof in Beirut aus einer libanesischen Fahne eine Friedenstaube hervorzaubert...
Exzentrische Fabel mit Kubrick-Zitat: «Tlamess»
Den Preis als bester Film erhielt «Tlamess» («Verzaubert»), der für die Quinzaine des Réalisateurs in Cannes 2019 ausgewählt war. Der tunesische Regisseur Ala Eddine Slim, der Multimedia-Kunst studiert hat, realisierte mit seinem Zweitling eine surreale Fabel, in der ein junger tunesischer Soldat, angewidert vom menschenfeindlichen Militäralltag, von der Reise zur Beerdigung seiner Mutter sich erst in der Wohnung verschanzt, um dann vor der Armeepolizei in die Wälder zu flüchten. Gleichzeitig erfährt eine schöne, aber sichtlich unglückliche junge Frau aus wohlhabenden Verhältnissen von ihrer Schwangerschaft und trifft bei einem ihrer Spaziergänge auf den Deserteur. Dessen Überleben in und mit der Natur schlägt sie in Bann, und die beiden verbünden sich. Mit einem Augenzwinkern zitiert der wortkarte «Tlamess» schliesslich Kubricks «2001 A Space Odyssey» und lässt die Hochschwangere auf einen schwarzen Monolithen und eine Riesenschlange inmitten der Wildnis treffen... Prämiert wurde der doch etwas bizarre Film «für seine Erschaffung eines eigenen, genuinen filmischen Universums, seine gestalterische Radikalität, und die emanzipatorische Kraft, dieses zuweilen surreal anmutenden ästhetischen Experiments».
Mit besonderen Erwähnungen wurden zudem die schauspielerische Leistung des kleinen Idryss Kharroubi als autistischer Youssef in «Regarde-moi» (Néjib Belkadhi) bedacht, Ziad Bakri, der Protagonist von «Screwdriver» (Bassam Ali Jarbawi), sowie schliesslich die Regisseurin Fatma Riahi des dokumentarischen «A Haunted Past» für ihre «einfühlsame Gesprächsführung» mit ihrem Protagonisten Tawfik, der als Jihadist im Gefängnis war und seine Vergangenheit und Zukunft reflektiert. Im Palmarès schmerzlich vermisst wurde allerdings das starke Langfilmdebüt der marokkanischen Regisseurin Meryem Benm'Barek «Sofia» – über eine gleichnamige junge Frau, die – ohne es wahrhaben zu wollen – schwanger ist und unter grossem gesellschaftlichem Druck dem Kind einen Vater geben muss. Ein ebenso spannendes wie erschütterndes Drama mit hervorragenden Darsteller/innen, das einen ernüchternden Einblick in die marokkanische Gesellschaft gibt.
Die prämierten Filme «All This Victory» und «Tlamess» haben beide einen Schweizer Verleih und werden hoffentlich bald in unseren Kinos zu sehen sein.
Das nächste AFFZ findet 2022 statt.
Doris Senn
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