28. Internationale Kurzfilmtage Winterthur: Politischer Widerstand und Selbstermächtigung
von: ikftw; aufgeschaltet am 11.11.2024 16:15
Das Publikum der 28. Internationalen Kurzfilmtage Winterthur konnte eine Woche lang das Schweizer und weltweite Kurzfilmschaffen in seiner ganzen Bandbreite entdecken: Von aktuellen ägyptischen Kurzfilmen über kunsthistorisch eingebettete Fokusprogramme und alternative Pornografie bis zum Late-Night-Programm Mord ist Sport und natürlich den Wettbewerben. Der Hauptpreis im Internationalen Wettbewerb geht an den experimentellen französischen Spielfilm
«Genealogy of Violence» (Frankreich 2024) von Mohamed Bourouissa; den Schweizer Wettbewerb gewinnt Mona Jelić mit dem Dokumentarfilm «2mm»; den ZKB Publikumspreis erhält Nebojša Slijepčević für «The Man Who Could Not Remain Silent» (Bulgarien, Slowenien, Frankreich, Kroatien 2024). Die 29. Kurzfilmtage finden vom 4. bis 9. November 2025 statt. «Genealogy of Violence» (Frankreich 2024) zeigt eine willkürliche, rassistisch motivierte Polizeikontrolle und vermittelt dabei «über die Form gekonnt eine Möglichkeit von Handlungsmacht, nicht zuletzt durch die Aktivierung der Vorstellungskraft» – so die Jurybegründung zum diesjährigen Hauptpreis. Für die beste dokumentarische Form erhält «Maman danse» (Schweiz 2024) von Mégane Brügger den Prix George: «Dieser Film nimmt uns mit auf eine stille, eindringliche Reise der Heilung, auf der eine Tochter ihre Mutter dabei begleitet, sich der Gewalt und den Traumata der Vergangenheit zu stellen», so die Jury. Im Schweizer Wettbewerb gewinnt «2mm» von Mona Jelić – «ein prägnanter, visuell ansprechender und gelungener experimenteller Dokumentarfilm» über eine geplante Lithiummine in Serbien, der die Schattenseite der Ambitionen um grüne Energie aufzeigt. Den detaillierten Jurybericht und alle Preisträger:innen finden Sie auf unserer Webseite.
«Filme werden zu einem Ritual, zu einer Therapie»
Kurzfilme fokussieren auf das, was essenziell ist – das bedingt die Form. Die ausgezeichneten Filme widerspiegeln die Unsicherheit und auch den Widerstand im Hinblick auf die politischen, sozialen und technologischen Umbrüche unserer Zeit. Klimafragen, KI und der soziale Wandel beschäftigen global: «Die Realität ist komplex geworden. Und diese Gefühle und Beobachtungen schreiben sich in die Filme ein. Die Filme, die uns aktuell berühren, sind ernste Filme. Diese werden zu einem Ritual, zu einer Therapie», so die ägyptische Produzentin Sawsan Yusuf in einem Q&A.
Die ägyptische Delegation diskutierte nach den Fokusprogrammen über die prekären Bedingungen und die Zensur, aber auch die neuen digitalen Möglichkeiten, welche die ägyptische Kurzfilmproduktion beflügeln. So verriet die Filmemacherin Ghazzal Abdullah, in welchem Kino das Independent Cinema in Kairo zuhause ist, oder inwiefern sich die 22-Millionenstadt seit «Cairo As Seen by Chahine» aus dem Jahr 1991 verändert hat, einem der ersten sozialkritischen ägyptischen Kurzfilme. In Anbetracht der Menschenmassen bei Youssef Chahine gab es auch ganz praktische Antworten: So konnten die anwesenden Filmschaffenden dem Publikum beispielsweise aufzeigen, wie ein Aussendreh in den Strassen Kairos konkret bewerkstelligt wird.
Der Filmschulentag und die Person im Fokus: Vytautas Katkus fanden vor allem bei Studierenden Anklang, und der Grosse Fokus: Beyond the Frame sprach ein generationenübergreifendes Publikum an. Die kunsthistorischen Einführungen zu den Bildern der Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», welche die Fragen und Themen der sechs Fokusprogramme inspiriert hatten, eröffneten neue Perspektiven auf aktuelle Diskurse, die vielleicht auch schon immer dagewesen sind. Zahlreiche Filmfans und internationale Gäste lernten dank diesem thematischen Schwerpunkt mit Lokalkolorit das international renommierte Museum überhaupt erst kennen.
Highlights und Publikumslieblinge
Zu den Publikumslieblingen gehörten auch dieses Jahr die Schweizer und Internationalen Wettbewerbsprogramme, die grösstenteils gut bis sehr gut ausgelastet waren. Ebenfalls sehr gut besucht bis ausverkauft waren die Fokusprogramme He’s Got the Look und I Want To Break Free aus dem Grossen Fokus: Beyond the Frame, 22 Million und Who You Are to Me aus dem Land im Fokus: Ägypten, die Züri Shorts, die Hot Shorts, Like Me, Love Me, Fuck Me und die Late-NightProgramme Mord ist Sport und What the Porn! Auch die ausverkaufte Masterclass mit der Person im Fokus: Vytautas Katkus sowie das Best-of zum Abschluss sorgten für volle Kinosäle. Das gemeinsame Filmeschauen, die unterhaltsamen Late-Night- oder Familienprogramme, die Konzerte und Partys sowie die vielen begeisterten Filmemacher:innen sorgten für eine generelle Leichtigkeit und eine sehr gute Festivalstimmung.
Somit stand die 28. Ausgabe ganz in der Tradition der Kurzfilmtage: Das Publikum zeigte sich neugierig auf die kuratierten Programme, während die vielen Begegnungs- und IndustryAngebote von Schweizer und internationalen Filmschaffenden rege genutzt wurden. Der Künstlerische Leiter John Canciani freute sich besonders, dass sich das Publikum auch auf unkonventionelle Filme einliess: «In meinen Anmoderationen vor den Fokusprogrammen weise ich immer darauf hin, dass es nicht darum geht, alles direkt zu verstehen. Gerade in der aktuellen Zeit geht es uns vielmehr darum, möglichst keine vorgefertigten Meinungen oder medialen Bilder zu reproduzieren, sondern Menschen ins Gespräch zu bringen und im Kollektiv herauszufinden, was wir gesehen haben. Das scheint nicht nur unser Anliegen zu sein, denn das Publikum hat sich am Festival und im Rhythmus der Filme treiben lassen und ist mehr denn je auch in den Q&As sitzen geblieben und hat rege mitdiskutiert.»
Fazit der Festivalleitung
«Die Kurzfilmtage haben dieses Jahr einen Fokus auf die Weiterentwicklung der Programmstruktur und der Vermittlung gesetzt. Kürzere Programme im Wettbewerb haben es ermöglicht, einerseits den Q&As mehr Raum zu geben, andererseits das Abendprogramm dichter zu programmieren. Zudem haben wir für den Schweizer Wettbewerb Mittags-Vorstellungen geschaffen und mehr Programme Deutsch untertitelt. Diese Anpassungen sind beim Publikum sehr gut angekommen», so der neue Kaufmännische Leiter Rudi Gehring, der sehr zufrieden auf die 28. Ausgabe zurückblickt. Insgesamt verzeichneten die Kurzfilmtage rund 17 000 Eintritte. Damit kann das Festival an die Publikumserfolge der Vorjahre anknüpfen. Dies ist insofern bemerkenswert, da auch die Kurzfilmtage von der schwierigen Lage in der Kulturfinanzierung betroffen sind und in diversen Bereichen Einsparungen vornehmen mussten.
«Genealogy of Violence» (Frankreich 2024) von Mohamed Bourouissa; den Schweizer Wettbewerb gewinnt Mona Jelić mit dem Dokumentarfilm «2mm»; den ZKB Publikumspreis erhält Nebojša Slijepčević für «The Man Who Could Not Remain Silent» (Bulgarien, Slowenien, Frankreich, Kroatien 2024). Die 29. Kurzfilmtage finden vom 4. bis 9. November 2025 statt. «Genealogy of Violence» (Frankreich 2024) zeigt eine willkürliche, rassistisch motivierte Polizeikontrolle und vermittelt dabei «über die Form gekonnt eine Möglichkeit von Handlungsmacht, nicht zuletzt durch die Aktivierung der Vorstellungskraft» – so die Jurybegründung zum diesjährigen Hauptpreis. Für die beste dokumentarische Form erhält «Maman danse» (Schweiz 2024) von Mégane Brügger den Prix George: «Dieser Film nimmt uns mit auf eine stille, eindringliche Reise der Heilung, auf der eine Tochter ihre Mutter dabei begleitet, sich der Gewalt und den Traumata der Vergangenheit zu stellen», so die Jury. Im Schweizer Wettbewerb gewinnt «2mm» von Mona Jelić – «ein prägnanter, visuell ansprechender und gelungener experimenteller Dokumentarfilm» über eine geplante Lithiummine in Serbien, der die Schattenseite der Ambitionen um grüne Energie aufzeigt. Den detaillierten Jurybericht und alle Preisträger:innen finden Sie auf unserer Webseite.
«Filme werden zu einem Ritual, zu einer Therapie»
Kurzfilme fokussieren auf das, was essenziell ist – das bedingt die Form. Die ausgezeichneten Filme widerspiegeln die Unsicherheit und auch den Widerstand im Hinblick auf die politischen, sozialen und technologischen Umbrüche unserer Zeit. Klimafragen, KI und der soziale Wandel beschäftigen global: «Die Realität ist komplex geworden. Und diese Gefühle und Beobachtungen schreiben sich in die Filme ein. Die Filme, die uns aktuell berühren, sind ernste Filme. Diese werden zu einem Ritual, zu einer Therapie», so die ägyptische Produzentin Sawsan Yusuf in einem Q&A.
Die ägyptische Delegation diskutierte nach den Fokusprogrammen über die prekären Bedingungen und die Zensur, aber auch die neuen digitalen Möglichkeiten, welche die ägyptische Kurzfilmproduktion beflügeln. So verriet die Filmemacherin Ghazzal Abdullah, in welchem Kino das Independent Cinema in Kairo zuhause ist, oder inwiefern sich die 22-Millionenstadt seit «Cairo As Seen by Chahine» aus dem Jahr 1991 verändert hat, einem der ersten sozialkritischen ägyptischen Kurzfilme. In Anbetracht der Menschenmassen bei Youssef Chahine gab es auch ganz praktische Antworten: So konnten die anwesenden Filmschaffenden dem Publikum beispielsweise aufzeigen, wie ein Aussendreh in den Strassen Kairos konkret bewerkstelligt wird.
Der Filmschulentag und die Person im Fokus: Vytautas Katkus fanden vor allem bei Studierenden Anklang, und der Grosse Fokus: Beyond the Frame sprach ein generationenübergreifendes Publikum an. Die kunsthistorischen Einführungen zu den Bildern der Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», welche die Fragen und Themen der sechs Fokusprogramme inspiriert hatten, eröffneten neue Perspektiven auf aktuelle Diskurse, die vielleicht auch schon immer dagewesen sind. Zahlreiche Filmfans und internationale Gäste lernten dank diesem thematischen Schwerpunkt mit Lokalkolorit das international renommierte Museum überhaupt erst kennen.
Highlights und Publikumslieblinge
Zu den Publikumslieblingen gehörten auch dieses Jahr die Schweizer und Internationalen Wettbewerbsprogramme, die grösstenteils gut bis sehr gut ausgelastet waren. Ebenfalls sehr gut besucht bis ausverkauft waren die Fokusprogramme He’s Got the Look und I Want To Break Free aus dem Grossen Fokus: Beyond the Frame, 22 Million und Who You Are to Me aus dem Land im Fokus: Ägypten, die Züri Shorts, die Hot Shorts, Like Me, Love Me, Fuck Me und die Late-NightProgramme Mord ist Sport und What the Porn! Auch die ausverkaufte Masterclass mit der Person im Fokus: Vytautas Katkus sowie das Best-of zum Abschluss sorgten für volle Kinosäle. Das gemeinsame Filmeschauen, die unterhaltsamen Late-Night- oder Familienprogramme, die Konzerte und Partys sowie die vielen begeisterten Filmemacher:innen sorgten für eine generelle Leichtigkeit und eine sehr gute Festivalstimmung.
Somit stand die 28. Ausgabe ganz in der Tradition der Kurzfilmtage: Das Publikum zeigte sich neugierig auf die kuratierten Programme, während die vielen Begegnungs- und IndustryAngebote von Schweizer und internationalen Filmschaffenden rege genutzt wurden. Der Künstlerische Leiter John Canciani freute sich besonders, dass sich das Publikum auch auf unkonventionelle Filme einliess: «In meinen Anmoderationen vor den Fokusprogrammen weise ich immer darauf hin, dass es nicht darum geht, alles direkt zu verstehen. Gerade in der aktuellen Zeit geht es uns vielmehr darum, möglichst keine vorgefertigten Meinungen oder medialen Bilder zu reproduzieren, sondern Menschen ins Gespräch zu bringen und im Kollektiv herauszufinden, was wir gesehen haben. Das scheint nicht nur unser Anliegen zu sein, denn das Publikum hat sich am Festival und im Rhythmus der Filme treiben lassen und ist mehr denn je auch in den Q&As sitzen geblieben und hat rege mitdiskutiert.»
Fazit der Festivalleitung
«Die Kurzfilmtage haben dieses Jahr einen Fokus auf die Weiterentwicklung der Programmstruktur und der Vermittlung gesetzt. Kürzere Programme im Wettbewerb haben es ermöglicht, einerseits den Q&As mehr Raum zu geben, andererseits das Abendprogramm dichter zu programmieren. Zudem haben wir für den Schweizer Wettbewerb Mittags-Vorstellungen geschaffen und mehr Programme Deutsch untertitelt. Diese Anpassungen sind beim Publikum sehr gut angekommen», so der neue Kaufmännische Leiter Rudi Gehring, der sehr zufrieden auf die 28. Ausgabe zurückblickt. Insgesamt verzeichneten die Kurzfilmtage rund 17 000 Eintritte. Damit kann das Festival an die Publikumserfolge der Vorjahre anknüpfen. Dies ist insofern bemerkenswert, da auch die Kurzfilmtage von der schwierigen Lage in der Kulturfinanzierung betroffen sind und in diversen Bereichen Einsparungen vornehmen mussten.
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