Zimmer 202
DVD - Release: 22.10.2010
Rezension von Irene Genhart
In „Zimmer 202“ begleitet Eric Bergkraut den Schweizer Schriftsteller Peter Bichsel auf seiner ersten und wohl auch einzigen Reise nach Paris.
Am 24. März 2010 feiert Peter Bichsel seinen 75. Geburtstag. Das ist mehr als Grund genug, dem 1935 geborenen Schweizer Schriftsteller ein filmisches Kränzchen zu winden. Auf den Regiestuhl geschwungen hat sich Eric Bergkraut. Was diesem im Sinne stand, klingt - im Film fragmentarisch protokolliert - als Vorgabe für einen Dokumentarfilm bizarr: Hätte Peter Bichsel, heisst es da, zur Paris-Reise nicht ja gesagt, wäre „Zimmer 202“ nicht zu Stande gekommen. Zum Glück nun aber liess sich Bichsel auf die Paris-Reise ein. Unterwegs erzählt er die Geschichte eines bei der SBB arbeitenden Bekannten, der jeden freien Samstag mit der Bahn nach Paris reist, in einem Restaurant am Gare de l‘Est einen Kaffee trinkt und ein Croissant isst und dann wieder nach Hause fährt.
Just bis zum Gare de l‘Est, bzw. in das sich auf dem Bahnhofsgelände befindende Hotel gleichen Namens, führt in Bergkrauts Film nun auch Bichsel Reise. Mehr will Bichsel bei seinem angeblich ersten und wohl auch einzigen Paris-Besuch von der französischen Metropole nicht sehen: Zu lieb sind ihm die Bilder, die er sich im Laufe der Jahre anhand von Texten und Fernsehberichten, von der Seine-Stadt selber entwarf.
Ob diese Paris-Geschichte wahr oder bloss gut erfunden ist, verrät „Zimmer 202“ nicht. Doch das ist eigentlich egal. Denn wiewohl Bergkraut Bichsels Leben - seine Jahre als Primarlehrer und als Verfasser von Bundesratreden, sein Verhältnis zu seiner 2005 verstorbenen Frau, seinen Alltag heute - fragmentarisch beleuchtet, ein das Leben und Werk seines Protagonisten umfassend darstellendes Biopic ist „Zimmer 202“ nicht. Eher schon ist das die filmisch festgehaltene Begegnung mit einem der letzten grossen Intellektuellen der Schweiz. Und das Spannendste daran sind Bichsels provokativen Spontan-Statements, die mindestens so stark zum Nachdenken anregen, wie die im Film auch anzutreffenden, kurzen Auszüge seiner perfekt wortgedrechselten Texte.
Kritiken
National |
- Guido Kalberer in tagesanzeiger.ch |
- Stefan Keller in woz.ch |
- Isabel Bures in art-tv.ch |
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