Small World
DVD - Release: 10.6.2011
Rezension von Hans Jürg Zinsli
„Small World“, basierend auf Martin Suters Bestseller, will die Bourgoisie wie ein Dominospiel zum Einsturz bringen. Doch wenn nie was umfällt, bleibt nicht viel – ausser die sehenswerten Gérard Depardieu und Alexandra Maria Lara.
Zu Beginn ist die Welt in „Small World“ noch gross genug. Doch die Distanz, welche die Industriellendynastie Senn zwischen sich und ihrem einstigen Ziehsohn Konrad Lang (Gérard Depardieu) aufgebaut hat, verengt sich rapide, als dieser versehentlich die ihm anvertraute Ferienresidenz abfackelt. Konrad, nunmehr obdach- und orientierungslos, setzt sich in den Zug, platzt mitten in die Hochzeit des Senn-Stammhalters Philippe (Yannick Renier) mit seiner Simone (Alexandra Maria Lara) und übergiesst letztere aus lauter Ungeschick mit Champagner.
Es ist nicht bloss Konrads elefantöses Gebahren, das ihn als zu gross (und zu breit) geratenes Kind erscheinen lässt. Der 60-Jährige leidet an Alzheimer. Und je schneller seine Krankheit fortschreitet, desto weniger ist er imstande, den Alltag zu meistern. Allerdings erinnert sich Konrad mit zunehmender Klarheit an Begebenheiten aus frühester Kindheit – sehr zum Missfallen seines einstigen Spielgefährten Thomas (Niels Arestrup) und dessen Stiefmutter Elvira (Françoise Fabian), die einiges zu verbergen haben.
Martin Suter trifft Claude Chabrol
Die Familienverhältnisse in „Small World“ als vertrackte Angelegenheit zu beschreiben, wäre noch höflich formuliert. Tatsächlich fällt dieser Umstand zunächst nicht so stark ins Gewicht, denn die Kälte, die dem Familienanwesen entströmt, verspricht faszinierende Geheimniskrämereien nebst nachfolgenden Aha-Erlebnissen. Auch die Verpflanzung von Martin Suters Roman nach Frankreich scheint nachvollziehbar, ja folgerichtig, da hier gepflegte Attacken auf die Bourgoisie spätestens seit Claude Chabrols Lebenswerk absolut salonfähig sind.
Was aber fängt „Small World“-Regisseur und Drehbuchautor Bruno Chiche mit diesem Thema an? Wozu dienen all die verstohlenen Blicke, welche durch Türspalte und Fenster geworfen werden? Nun, sie dienen höheren Ambitionen, um den eher beschränkten Neuigkeitswert der Geschichte zu kaschieren. Oder anders gesagt: Chiche will aus diesem Arsenal an Lug, Trug und Alkohol nicht nur eine Familientragödie und ein Aussenseiterdrama herauspressen, sondern auch einen Krimi und ein Ehedrama dazufügen. Das funktioniert nicht, da insbesondere die unselige Heirat von Philippe und Simone erzählerisch immer wieder liegen bleibt. So ist´s wie bei einem Dominospiel: Wenn nie was umfällt, wird´s langweilig.
Rehäugige Lara, kolossaler Depardieu
Dabei wären die Schauspieler in „Small World“ sehenswert: Alexandra Maria Lara, zunächst rehäugige Duckmäuserin, entwickelt sich mit Verve zu einer Art Schutzengel von Konrad. Dieser wiederum wird von Depardieu anrührend kolossal verkörpert. Und glaubhaft in seiner Hilflosigkeit. Mal hockt dieser Konrad im strömenden Regen, dann wirft er sich in ein Bett aus Schnee, plumpst vom Hausdach oder spannt im Restaurant einen bunten Schirm zum Schutz vor schlechten Schwingungen auf. Kurz: Depardieu und Lara würde man gerne noch eine Weile zusehen. Aber nicht in diesem Film.
Kritiken
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