Los Reyes Del Mundo
Streaming - Release: 22.09.23 auf filmingo.ch
Filmkritik von Walter Gasperi
Kraftvoll, roh und voll magischer Bilder: Die Kolumbianerin Laura Mora erzählt in ihrem bei den Filmfestivals von San Sebastian und Zürich mit dem Hauptpreis ausgezeichneten dritten Spielfilm von fünf Jugendlichen, die sich von Medellin aus aufmachen, um das Land der Großmutter, das von der Regierung zurückerstattet wurde, in Besitz zu nehmen.
Was für ein kraftvoller, elektrisierender Auftakt: Mitten auf einer nächtlichen Stadtstraße steht zwischen hell erleuchteten Gebäuden ein weißes Pferd. Leitmotivisch wird sich dieses edle Tier durch den Film ziehen, wird für den Traum des etwa 16-jährigen Rá (Carlos Andrés Castañeda) von Anerkennung, Wertschätzung und Glück stehen.
Denn der elternlose Rá und seine jüngeren Freunde Culebro, Sere, Winny und Nano haben nur sich. Am Rand der Gesellschaft leben sie auf den Straßen von Medellin, werden verachtet und gedemütigt. Gleichzeitig sprühen sie aber auch vor Vitalität und Lebensgier, lassen sich nicht unterkriegen und kämpfen leidenschaftlich für ein besseres Leben.
Enormen Drive und Kraft entwickelt "Los reyes del mundo", wenn Daniel Gallego mit der Handkamera diesen Kids auf einem Platz folgt, wo es bald zu einer Auseinandersetzung mit Macheten kommt. Die Nähe und die Unruhe der Kamera sowie der dynamische Schnitt vermitteln intensiv das aggressive Klima und die Wut dieser Jugendlichen. Gleichzeitig wird aber auch ihre Ohnmacht in dieser Welt der Erwachsenen sichtbar, wenn sie vom Marktplatz vertrieben werden.
Ein neues und glückliches Leben erhofft sich Rà für sich und seine Freunde auf dem Landgut, das einst seiner Großmutter von den Paramilitärs entrissen wurde, nun ihm aber von der Regierung zurückerstattet wurde. So bricht er mit seinen Freunden zu diesem Grundstück auf.
Von der Stadt führt der Film so über Landstraßen durch Dschungelgebiete aufs Land, wobei die unterschiedlichen Begegnungen einen dichten Eindruck nicht nur kolumbianischer Realität, sondern auch der Folgen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs vermitteln. Ganz auf Augenhöhe der Teenager – vor allem Ràs – bleibt die 42-jährige Regisseurin dabei immer, erzählt konsequent aus deren Perspektive.
Roh und ungeschminkt ist ihr Film, lebt von seiner energetischen Erzählweise und den ebenso natürlich wie kraftvoll agierenden Laienschauspielern. Ihre Wildheit wird spürbar, wenn sie Autos zerkratzen, Rinder aus einer Umzäunung befreien oder sich auf ihren gestohlenen BMX-Rädern mit Seilen an einen LKW hängen und anschließend in horrendem Tempo eine Bergstraße hinunterrasen.
Nicht weniger intensiv vermittelt Mora aber auch, wie sehr sich diese Teenager nach körperlicher Nähe, nach Zärtlichkeit und Geborgenheit sehnen, wenn sie auf ihrer Reise bei Sexarbeiterinnen Unterschlupf und Fürsorge erfahren. Fern sind hier alle Probleme, wenn sie gedankenverloren mit den älteren Damen tanzen, doch warnen sie diese auch vor Gefahren der Reise.
Der Zärtlichkeit der Sexarbeiterinnen steht so wenig später auch die Brutalität einiger Männer gegenüber, die die Teenager verschleppen, und auch bei der Übernahme des rückerstatteten Landes gibt es schließlich Probleme.
Differenzierte Figurenzeichnung und stringente Entwicklung der Handlung interessieren Mora nicht. Mitreißende Kraft entwickelt ihr Film durch den energischen Zugriff auf die Figuren und ihre Umwelt. Hier gibt es keine Distanz, sondern man wird mitten in das Geschehen hineinversetzt, nimmt unmittelbar Anteil an den Erfahrungen der Kids.
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