Le nom des gens

FR 2010, 100 Min., F/d, Regie: Michel Leclerc, mit Jacques Gamblin, Sara Forestier, Zinedine Soualem, Carole Franck, Jacques Boudet

Le nom des gens

DVD - Release: 28.10.2011

Rezension von Geri Krebs

Michel Leclerc erzählt in seiner schrägen Komödie von einer seltsamen linken Frau, die mit rechten Männern Sex hat, um sie politisch zu bekehren: das ist zweifellos etwas vom Originellsten, das es in der aktuellen Flut neuer französischer Filme gibt.

Eigentlich gibt es in einem Spielfilm nichts Langweiligeres und Belangloseres als die Namen der Protagonisten. Ob der furchtlose Held nun John, Jack, Daniel oder wie auch immer heisst - und ob die Frau, die ihm den Kopf verdreht, sich Pamela, Hana oder Juana nennt: es ist so irrelevant wie nur irgendetwas und dient allenfalls dazu, altersrelevante Unterschiede oder ethnische Zugehörigkeiten definieren zu können.

Migrantentochter und Durchschnittsfranzose?

So etwa wie in „Le nom des gens“, in dem die glutäugige weibliche Hauptfigur Bahia heisst und beim Aussprechen dieses Namens jeder und jede denkt: Aha, Brasilien. Doch wenn die betreffende Person dann hört, dass sich die Schöne „Baya“ schreibt, und ihr Nachname „Benmahmoud“ lautet, dann ist jede nette Illusion von der Südamerikanerin dahin und für alle ist klar, dass man es hier mit einer Frau aus dem – nicht nur in Frankreich - ungeliebten Maghreb zu tun hat. Demgegenüber hat der männliche Gegenspieler von Bahia/Baya einen weit weniger verfänglichen Name: Arthur Martin gibt es laut Telefonbuch in Frankreich nämlich genau 15 000. Und so durchschnittlich und langweilig wie dieser Name, ist hier auch sein Träger, er ist ein grauer Staatsangestellter. Sein Spezialgebiet liegt im Bereich der Tierseuchen – und wer erinnert sich noch an jene Running Gags der Pharmamafia namens „Vogelgrippe“ und „Schweinegrippe“?

Doch die Tätigkeit von Arthur spielt lediglich zu Beginn dieser irren Story eine Rolle, als der gewissenhafte Experte in einer Fernsehsendung überraschend mit der ungestümen jungen Frau zusammentrifft, die ihm vorwirft, er würde mit seinem Geschwätz nur dem Faschismus Vorschub leisten. Während die überdrehte Baya im nächsten Augenblick dem verdutzten Wissenschaftler vorschlägt , mit ihr zu schlafen, und dieser verwirrt ablehnt, erklärt sie ihm, dass er eigentlich eine Ausnahme sei. Schliesslich wisse sie ja sehr wohl, dass er ein Linkswähler sei, und in der Regel schlafe sie nur mit rechten Männern – um sie zu bekehren – doch bei ihm mache sie eine Ausnahme. Und wie wenn derartig gewagte Schnellsch(l)üsse noch nicht genug wären, kommen im Lauf der Geschichte die Vergangenheiten von Arthur und Baya ans Tageslicht. Und mit jener von Arthur, der aus einer jüdischen Familie stammt, die immer noch unter dem Trauma des Holocaust leidet, und jener von Baya, der als Tochter einer französischen Hippie-Mutter, welche sich einst eines illegalen algerischen Einwanderers auf ihre Art annahm, (links-) politisches Engagement gewissermassen in die Wiege gelegt wurde, sind Feuerwerke von politischen Anspielungen geradezu gelegt.

Lichtblick im aktuellen französischen Filmschaffen

Neben solch ungewöhnlichen Wendungen des Drehbuchs, das Michel Leclerc zusammen mit seiner algerischen Lebensgefährtin Baya Kasmi schrieb, ist die schauspielerische Leistung Sara Forestiers zu erwähnen. Die erst 24-jährige Französin gewann bei der vergangenen César-Verleihung zu Recht - und mit links - den „französischen Oscar“ für ihre schauspielerische Parforce-Tour und stach dabei solche Grössen wie Catherine Deneuve aus. Vom grossen Kritiker einer ebensolchen Sonntagszeitung konnte man kürzlich erfahren, dass Lionel Jospin, der einen wahrhaftigen und überraschenden Gastauftritt in „Le nom des gens“ hat, als Oberlangweiler gilt – wahrscheinlich weil seine Ausländerpolitik weniger Sexappeal als jene von Nicolas Sarkozy hat – und so lange noch solche Einschätzungen herumgeistern, ist ein Film wie dieser ein Lichtblick. Und vergleicht man „Le nom des gens“ etwa mit solchen Debilitäten des aktuellen französischen Filmschaffens wie „Potiche“ oder „La tête en friche“, dann kann man hier wirklich nur von einem grossartigen Film sprechen und hoffen, dass ein hiesiges Publikum sich aus unserem westlichen Nachbarland auch noch etwas anderes ansieht als einen unappetitlich verfetteten Gérard Depardieu.

     

Kritiken

National International
- Matthias Lerf für sonntagszeitung.ch - Bert Rebhandl für faz.net
- Simon Eberhard für outnow.ch - Gerhard Midding für freitag.de
  - Daniel Sander für spiegel.de
   
Offizielle Website Verleiher
www.dernamederleute.x-verleih.de Pathé

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