Drei
DVD - Release: 27.5.2011
Rezension von Irene Genhart
„Drei“ von Tom Tykwer ist eine virtuose Abhandlung über die Kunst des Liebens.
Sie hatten schon immer etwas Konzeptuelles an sich, die Filme von Tom Tykwer. Sie sind, anders gesagt, und besonders schön zu beobachten in „Lola rennt“ (1998), Versuchsanordnungen zur Bewältigung einer Situation bzw. recht eigentliche dialektische Abhandlungen. So erzählt „Das Parfüm“ (2006) nicht nur die Geschichte eines Serienmörders, sondern handelt auch vom Funktionieren des menschlichen Geruchsinns. Der Liebes- und Polizeifilm „Heaven“ (2002) lässt sich deuten als Essay um Rache, Schuld und Sühne. Und „The International“ (2009) ist nicht nur ein packender Thriller, sondern auch eine Darlegung über das Zusammenspiel von Finanz und Politik in einer globalisierten Welt. Und nun stellt Tykwer, nachdem er die letzten zehn Jahre im Ausland verbracht hat, mit „Drei“ seinen wieder ersten in Deutsch und Deutschland gedrehten Film vor und fragt – wie notabene schon 1997 in „Winterschläfer“ und 1996 in „Die tödliche Maria“ – nach dem Funktionieren der Liebe bzw. einer Paarbeziehung.
Tykwer lotet unaufgeregt Gefühle aus
Die sich da zugetan sind in „Drei“ heissen Hanna und Simon. Sie leben in Berlin. Simon wird gespielt von Sebastian Schipper und arbeitet mit Künstlern, Hanna – warmherzig und überzeugend: Sophie Rois – arbeitet beim Fernsehen. Man teilt die Wohnung, das Interesse für Kunst, geht zusammen ins Museum, ins Theater, zu Ballettaufführungen. Und auch wenn die Emotionen so lichterloh nicht mehr brennen, so hat man sich in der gewollt kinderlosen Zweisamkeit doch gemütlich eingerichtet. Man lebt im trauten Trott miteinander, lässt sich gewisse Freiheiten, fühlt sich einander dennoch verpflichtet. Es könnte ewig so weitergehen. Doch dann beginnen in „Drei“ die Dinge, und damit auch Hannas und Simons Beziehung, aus den Fugen zu geraten. Durch die Krebserkrankung und den schnellen Tod von Simons Mutter (Angela Winkler) etwa. Durch die notfallmässig Entfernung von Simons einem Hoden. Oder dadurch, dass sich Hanna bei einem Disput mit dem Ethikrat mit dem Stammzellenforscher Adam Born (Devid Striesow) zwar in die Haare gerät, einige Tage später dann aber gleichwohl in dessen Bett landet. Und dass ebendieser Adam, ohne um dessen Beziehung zu Hanna zu wissen, Wochen später auch Simon verführt, und Simon von seinem homoerotischen Abenteuer stärker angetan ist, als ihm in seinen heterosexuellen Träumen bisher eingefallen wäre.
Sanft romantische, leise humorvolle Studie
Aus solcher Vorgabe entwickelt sich in wohl 99% aller Fälle ein heftiges Ménage à trois-Drama, eine vergnügliche Dreieckskomödie oder ein mörderischer Thriller. Nicht so bei Tykwer. Der lotet unaufgeregt Gefühle und Konstellationen aus. Er meidet das grosse Drama und komisch ist sein Film höchstens unfreiwillig. Dann etwa, wenn Hanna aus Adams Wohnung abzuhauen versucht, und sich tiefnachts auf einer Terrasse zwischen Plattenbauten gefangen findet. Oder wenn Simon wie Hanna bei einem gemeinsamen Museumsbesuch von weitem Adam erspähen und dann beide alles tun, um dem Objekt ihrer Begierde nicht vor des jeweils andern Augen über den Weg laufen zu müssen. Und Mordsgelüste hegt, trotz heftig wallender Gefühle, keiner. So ist „Drei“, wie notabene alle Tykwer-Filme von Frank Griebe ausnehmend schön fotografiert, in Zitaten Wim Wenders, Ernst Lubitsch und Ingmar Bergman die Ehre erweisend, sanft romantisch und leise humorvoll, eine hübsche originelle Studie über die Kunst der Liebe im Schosse der wohltemperiert-gefühligen Grossstadtgesellschaft von heute.
Kritiken
Offizielle Website | Verleiher |
www.drei.x-verleih.de | Filmcoopi |
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