Das Lehrerzimmer
Streaming - Release: 19.10.23 auf filmingo.ch
Filmkritik von Walter Gasperi
Eine engagierte junge Lehrerin wird an einem Hamburger Gymnasium im Spannungsfeld zwischen Kolleg:innen, Schüler:innen und Eltern sukzessive zerrieben: İlker Çatak inszeniert seinen soeben mit fünf deutschen Filmpreisen ausgezeichneten Schulfilm als dichten Thriller, in dem packend allgemeine gesellschaftliche Themen wie Alltagsrassismus, Mobbing, Vorverurteilung und Wahrheitsfindung verhandelt werden.
Der Schulfilm hat viele Spielarten. Der Bogen spannt sich von rebellischen Werken über Schüler:innen, die gegen ein autoritäres System aufbegehren wie Jean Vigos "Zéro de conduite" (1933) und Lindsay Andersons "If" (1968) über engagierte Lehrerporträts, die sozial schwierigen Schüler:innen, einen Weg in die Zukunft weisen wollen ("Blackboard Jungle – Die Saat der Gewalt", Richard Brooks, 1955), oder deren eigenständiges Denken fördern wollen ("Dead Poets Society – Der Club der toten Dichter", Peter Weir, 1989) bis zur harmlosen Komödie ("Die Feuerzangenbowle", Helmut Weiss, 1944; "Fuck ju Göhte", Bora Dagtekin, 2013).
Quasidokumentarische Schilderungen der Anforderungen, die eine multikulturelle Klasse stellen, fehlen mit Laurent Cantets "Entre les murs - Die Klasse" (2008) ebenso wenig wie zuletzt mit Maria Speths "Herr Bachmann und seine Klasse" (2021) ein großer Dokumentarfilm über die Erfolge, die ein engagierter und empathischer Lehrer durch seine unkonventionellen Methoden in einer heterogenen Klasse erzielen kann.
İlker Çatak legt seinen soeben bei der Verleihung der deutschen Filmpreise unter anderem in den Kategorien bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch und beste Hauptdarstellerin ausgezeichneten vierten Spielfilm als Alltags-Thriller an. Von der ersten Einstellung an entwickelt "Das Lehrerzimmer" mit seiner beweglichen Kamera (Judith Kaufmann), die hautnah der jungen Mathematik- und Sportlehrerin Carla Nowak (Leonie Benesch) vom Lehrerzimmer durch die Gänge in ihre Klasse folgt, sowie einen dynamischen Schnitt (Gesa Jäger) eine Kraft und einen Sog, die ins Geschehen unmittelbar hineinziehen.
Verstärkt wird diese Dichte einerseits durch das enge 4:3 Format, das für eine Fokussierung des Blicks und für große Nähe zur in jeder Szene präsenten Protagonistin sorgt, sowie durch die Konzentration auf die Schule als – mit einer kurzen Ausnahme – einzigen Schauplatz. Aber auch die präzis eingesetzte kalte Musik von Marvin Müller steigert hier immer wieder die Spannung und die Beunruhigung.
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