Copie Conforme

FR 2010, 106 Min., F/d, Regie: Abbas Kiarostami, mit Juliette Binoche, William Shimell

Copie Conforme

DVD - Release: 24.2.2012

Rezension von Walter Gasperi

Abbas Kiarostami schickt eine französische Galeristin und einen britischen Schriftsteller auf eine Reise durch die Toskana. Mit einer grossartigen Juliette Binoche in der Hauptrolle entwickelt sich daraus eine Reflexion über Original und Fälschung, Wirklichkeit und Schein.

Ganz einfach geben sich die Filme des Iraners Abbas Kiarostami nach außen hin. Lange Autofahrten sind ein wiederkehrendes Element, bestimmen seinen Cannes-Sieger „Der Geschmack der Kirsche“ ebenso wie der auf Taxifahrten durch Teheran reduzierte „Ten“. Nicht viel scheint zu passieren, aber gerade diese Reduktion macht diese Filme immer wieder rätselhaft und regt zum Nachdenken an.

Trockener Beginn, raffinierte Wende

Ganz einfach scheint auch die Geschichte von „Copie conforme“ zu sein, mit dem Kiarostami nach mehreren kürzeren Arbeiten erstmals einen langen Spielfilm im westlichen Ausland drehte: Bei einer Lesung in der Toskana trifft eine französische Galeristin (Juliette Binoche) den britischen Schriftsteller und Kunsttheoretiker James Miller (der Opernsänger William Shimell), der sich mit dem Verhältnis von Original und Kopie beschäftigt und für den Wert der Fälschung plädiert. Zum ersten Mal scheinen sich die beiden hier zu begegnen und unternehmen gemeinsam eine Autofahrt durch die Region um in einem Dorf ein Museum zu besuchen. Papieren und allzu (kunst)theoretisch wirkt da mancher Dialoge, auch bei einem Gespräch, das sich während einer langen Autofahrt entwickelt, geht es zunächst um Kunst, doch zunehmend kommt das Persönliche, die eigene Lebenssituation ins Spiel. Wie diese Szene gefilmt ist, ist unverkennbar Kiarostami. Kaum einmal öffnet sich der Blick auf die braunen Hügel und die Zypressenalleen, die Konzentration liegt auf den Protagonistinnen im Wageninneren.

Auf eine gewöhnliche Beziehungsgeschichte könnte das hinauslaufen, doch ein Stopp bei einer Bar bringt eine überraschende Wende, die auch das Vorherige in neuem Licht sehen lässt. Denn als die Barfrau die beiden für ein Ehepaar hält, beginnt die Frau, für deren Verkörperung Juliette Binoche in Cannes mit dem Darstellerpreis ausgezeichnet wurde, diese Vorgabe zu erfüllen, beginnt mit dem Schriftsteller so zu reden, als ob er ihr Ehemann wäre, mit dem sie schon 15 Jahre verheiratet ist. Und der Schriftsteller spielt mit. – Oder ist das Ganze etwa gar kein Spiel, sondern die Wirklichkeit, während die Vorgeschichte das Spiel war?

Spiel mit der Filmgeschichte

Der trockene Diskurs über Original und Kopie, über Wahrheit und Fälschung, der die erste Hälfte des Films bestimmte, wird so direkt auf die Handlung übertragen. Mit dieser Wendung entwickelt „Copie conforme“ plötzlich auch aufregenden Interpretationsspielraum, denn der Zuschauer wird angeregt nach Indizien zu suchen, mit denen er eine der beiden Geschichten als Original beziehungsweise Spiel entlarven könnte. Kiarostami aber löst bis zum Ende dieses Rätsel nicht auf, sondern führt zudem noch ein Spiel mit der Filmgeschichte, wenn er „Copie conforme“ wie eine Kopie von Roberto Rossellinis „Viaggio in Italia“ anlegt: Hier wie dort bestimmt die Reise zweier Ausländer mittleren Alters, bei Rossellini freilich unzweifelhaft ein Paar in der Krise, durch Italien die äußere Handlung. So kann „Copie conforme“ auch als Reverenz an den italienischen Meisterregisseur gelesen werden, dessen Filme wie die Kiarostamis durch Einfachheit und eine Mischung von Dokumentarischem und Fiktionalen gekennzeichnet sind.

     
     

Kritiken

National International
- Michael Sennhauser in sennhausersfilmblog.ch - Dominik Kamalzadeh in derstandard.at
- Andrea Wildt in cineman.ch - Joachim Kurz in kino-zeit.de
- Mathieu Poget in cinema.ch - Reportage von Bertrand Loutte in arte.tv
- Anne Konz in groarr.ch - Swantje Karich in faz.net über das Verbot von "Copie Conforme" im Iran
Offizielle Website Verleiher
www.mk2.com Praesens

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